Manchmal sehen wir Sünden so wie Fehler bei einer Schularbeit. Gott ist für uns irgendwie wie ein Lehrer, der unser Leben sozusagen beurteilt, und wir fragen uns, was wir tun können, dass wir gerade nicht durchfallen. Aber wenn wir so denken, dann haben wir den Glauben eigentlich noch nicht verstanden.

Text: Pater Matthäus Trauttmansdorff

Ich habe einmal in einem Internat als Erzieher gearbeitet. Und es ist interessant, wie unterschiedlich man mit Kindern bzw. Jugendlichen umgeht. Bei den Jüngeren ist es wichtig, klare Regeln zu formulieren, und es gibt Sanktionen, wenn diese nicht eingehalten werden. Das ist ein bisschen wie im Alten Testament, wo Gott den Menschen die 10 Gebote gegeben hat. Aber je älter und reifer jemand wird, desto mehr wird man erklären, warum es gut ist, sich so oder so zu verhalten. So hat uns dann Jesus im Neuen Testament behandelt, als Erwachsene mit Selbstverantwortung. Wenn ich verstehe, was gut für mich ist, dann werde ich das selber auch so leben wollen. Sünde ist somit nicht so sehr eine Liste von Regeln, sondern einfach alles, was mich hindert, die beste Version meiner Selbst zu werden. Die Gebote Gottes sind keine Einschränkung für meine Freiheit, sondern vielmehr so etwas wie die Bedienungsanleitung für mein Glück.

Benzin oder Diesel

Ich vergleiche das gern mit einem Auto. Es wurde von einem Erzeuger gebaut, zum Beispiel als Diesel-Auto und nicht als Benziner. Jetzt kann ich bei der Tankstelle sagen, ok, ich habe den freien Willen, da steht zwar, ich soll Diesel reingeben, aber ich geb Benzin rein. Die Folge ist, dass nach 300 Meter der Motor abstirbt und das Auto kaputt ist. So ist das auch mit uns. Sünde ist nicht einfach ein Brechen einer Regel. Sünde ist alles, wo wir nicht so handeln, wie wir eigentlich funktionieren. Das heißt, wie wir unser Glück finden. Gott hat in meine seelische und geistige DNA eingeschrieben, wie ich als Mensch funktioniere. Unsere große Versuchung ist es, dass wir denken, die Gebote Gottes machen uns nicht glücklich und dass ich mein Glück irgendwo ohne Gott finden muss. Und das ist ein Trugschluss.

„Gott weiß, wie ich funktioniere.“

Wenn ich einmal verstanden habe, dass Gottes Gebote letztlich gut für mich sind, dann werde ich mich darum bemühen, danach zu leben, auch wenn ich eine Sache noch nicht ganz verstehe oder ich manchmal einen Widerstand empfinde. Ich weiß dann, dass der Widerstand nicht von Gott kommt, sondern von seinem Gegner.

Gott liebt mich

Schließlich glaube ich, dass man Sünde nicht für sich allein betrachten darf. Man muss sie immer vorm Hintergrund der Liebe Gottes und seiner Güte sehen. Was wirklich Sünde ist, wird eigentlich erst klar, wenn man Christus anschaut. Nämlich, dass ein guter, barmherziger, gerechter Mensch in unserer Welt am Kreuz endet. Das ist für mich die letzte Offenbarung, was Sünde ist. Wir haben den Hang, das Gute sozusagen „umzubringen“. Das ist unsere Welt. Wir können nicht sagen, es passt eh alles. Nein, nix passt. Sünde ist in diesem Verständnis dann kein Abhaken von Regeln, sondern alles, wo ich zu Gott nein sage, obwohl er mich so unglaublich liebt. Und Sünde ist, wo ich das Gute, das ich machen könnte, nicht tue. Für mich ist Sünde daher nicht nur das Brechen der Gebote Gottes, sondern vielmehr Undankbarkeit und Ignoranz der Liebe Gottes gegenüber. So finde ich es gut, eine Beichte immer mit einer Danksagung zu beginnen. Erst dann, im Spiegel der Liebe Gottes, wird mir klar, wo ich schlecht oder mit zu wenig Liebe darauf geantwortet habe.

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