„Schon zurück?“, fragte Keith Trenton erstaunt. Es war erst gegen Mittag. Father Alan, Pepito, Alex, Ken und Amy konnten unmöglich am Berggipfel gewesen sein. Dann bemerkte er, wie bleich seine Kusine war. Die Stimmung bei den Heimkehrern war gedrückt und aufgeregt zugleich. „Ist etwas passiert?“ Bevor jemand antworten konnte, kroch Sandro aus dem Zelt, seine Wangen waren vom Schlaf gerötet, die Haare zerzaust und verschwitzt. Erst starrte er die Gruppe an, dann schaute er verwirrt auf seine Uhr. „Warum seid ihr schon da?“

„Später“, erwiderte Father Alan knapp. Kurz darauf trafen die übrigen Ausflügler ein. Sie wussten nichts Genaueres und waren offensichtlich enttäuscht, dass die Wanderung abgebrochen worden war. Die vier, die mit Father Alan unterwegs gewesen waren, saßen still unter einem Baum am Boden. Besorgt trat Jim Trenton zu ihnen. „Geht’s euch gut?“

Pepito nickte ohne aufzusehen. Sein Gesicht war verschlossen. Alex und Ken zuckten wortlos die Schultern. Da sprang Amy auf. „Nein. Es geht uns nicht gut! Jemand hat auf uns geschossen, Onkel Jim!“ Der anfängliche Schrecken war inzwischen in Empörung umgeschlagen. „Welcher Idiot schießt hier auf Menschen?“„Am besten erzählt ihr mir einmal, was vorgefallen ist.“ Die Teenager kamen der Aufforderung nach. Nachher setzten sich Father Alan und der Park Ranger zusammen. „Ich kann mir das nicht erklären“, sagte Jim. „Mein erster Gedanke war ein Wilderer. Aber die Wegstrecke ist frei und gut einsehbar. Niemand könnte eine Gruppe von Wanderern mit Wild verwechseln. Es klingt so, als hätte jemand absichtlich Pepito und Amy aufs Korn genommen.“ Father Alan schüttelte den Kopf. „Nur Pepito“, sagte er grimmig. „Das ist nicht der erste Anschlag auf sein Leben. Kurz bevor wir zur Ranch aufgebrochen sind, gab’s in Hayleport eine Schießerei aus dem Auto. Hätte ihn fast erwischt. Dann hat jemand einen Reitunfall provoziert. Auch der hätte ihn das Leben kosten können. Und jetzt das hier.“

„Wer um alles in der Welt will den Burschen umbringen? Und warum?“ Jim starrte den Priester ungläubig an. „Die Frage nach dem wer ist leicht zu beantworten: Luis Ortiz, sein ehemaliger Bandenchef. Warum? Da geht’s um einen Mord. Pepito weiß, wer der Täter ist. Bis jetzt hat er geschwiegen. Offensichtlich will Ortiz dafür sorgen, dass es auch dabei bleibt.“ Jim konnte es immer noch nicht fassen. „Zwei Anschläge wurden während des Ferienlagers verübt. Das würde doch bedeuten …“

Father Alan beendete den Satz für ihn: „Dass einer meiner Schützlinge dahintersteckt. Aber ich habe keine Ahnung, wer es sein könnte.“ Zorn, Trauer und Enttäuschung lagen in seiner Stimme. Abrupt stand Jim auf. „Ich sehe mir die Gegend am Berg genau an. Vielleicht finde ich Spuren. Du lässt Pepito am besten nicht mehr aus den Augen.“ Doch Jim kehrte erfolglos von seiner Suche zurück. Er hatte nichts finden können, was ihm einen Hinweis auf die Identität des Täters geben könnte.

Am nächsten Tag ritt die Gruppe zurück zur Ranch. Pepito verspürte jetzt dieselbe Anspannung wie in der Stadt. Wieder musste er ständig auf der Hut sein. Und doch hatte er etwas gefunden, was ihm die Situation erträglicher machte: Der gemeinsam ausgestandene Schrecken hatte ihn und Amy noch näher zusammengebracht. Sandro beobachtete, wie Amy den Burschen anlächelte und dieser den Blick erwiderte. Er wies Alex darauf hin und murmelte ihm zu: „Du solltest es ihm sagen. Je eher desto besser.“Alex war es unangenehm, sich in die Sache einzumischen, musste Sandro aber Recht geben. Als Amy sich kurz darauf zu Father Alan und Jim Trenton gesellte, schloss Alex zu Pepito auf. „Es geht mich ja nichts an, Alter. Aber weißt du, worauf du dich da einlässt? Hast du auch nur die geringste Ahnung, wer ihr Vater ist?“ Pepito sah seinen Buddy verärgert an. „Er ist Special Trooper. Na und? Ich werde ja wohl trotzdem mit seiner Tochter reden dürfen.“

„Sagt dir der Name McClaw wirklich nichts?“ Allmählich wurde Pepito unruhig. „Sollte er das?“ Alex seufzte. „Du bist echt ein Unschuldslamm. Amys Vater ist nicht nur irgendein Special Trooper. Sein Name ist General Nicholas McClaw und er ist der Leiter der Special Troops. Verstehst du jetzt?“ Pepito verschlug es regelrecht die Sprache. Einen Moment später trieb er Plucky an. Bald hatte er Amy erreicht. Sie lächelte ihm zu, doch er blieb ernst. „Warum hast du mir’s nicht gesagt? Wer dein Vater ist?“ Da funkelte sie ihn aufgebracht an, sah aber auch ein wenig schuldbewusst aus. „Ist das wirklich so wichtig?“ „Könnte schon sein. Der Leiter der Special Troops? Und seine Tochter freundet sich mit so einem wie mir an? Wird ihm nicht gefallen.“„Na und? Meine Freunde sind meine Sache!“, fauchte Amy. „Außerdem ist er ja nicht da.“ Pepito schwieg. Dass Amy nichts gesagt hatte, konnte er noch irgendwie verstehen. Aber Father Alan? Der hätte ihn warnen müssen. Warum bloß hatte er es nicht getan? Pepito fühlte sich innerlich wie betäubt. Wieder einmal hatte er jemandem vertraut, und wieder einmal war sein Vertrauen enttäuscht worden.

Wenig später erreichten sie die Ranch. Gregg Trenton stand vorm Haus im Gespräch mit einem Mann und einer Frau. Unwillkürlich hielt Amy ihr Pferd an. „Was ist?“, fragte Pepito. „Das sind meine Eltern.“

Veronika Grohsebner ist Schriftstellerin aus Wien und Autorin der erfolgreichen Benjamin Coleman Buchserie.
Der YOU!Magazin Fortsetzungsroman ist ein Spin-Off der Alan Jason Trilogie.