Kaum ein Wort löst heute so viele Kontroversen aus wie „Gender“. In dem ganz neu erschienenen Buch „Männlich, Weiblich, Divers?“ setzt sich der amerikanische Theologe Jason Evert mit den gängigsten Behauptungen der Gender-Theorie auseinander und zeigt, wie man mit Nächstenliebe und Klarheit darauf antworten kann.
Es ist so wichtig, dass wir lernen, über das Thema ohne Polemik zu sprechen. Wie niemand anderer hat sich Jason Evert darum bemüht, alle wissenschaftlichen Erkenntnisse umfangreich zu recherchieren und einzuarbeiten. So ist dieses Buch ein längst notwendiger Beitrag zur aktuellen Diskussion, genauso aber ein echter Impuls für alle Menschen, die direkt oder indirekt von dem Thema betroffen sind.
Wenn du dich um jemanden sorgst, der sich als trans identifiziert, und du nicht weißt, wie du darauf reagieren sollst, oder wenn du Geschlechtsdysphorie erlebst und dich fragst, was Gottes Plan für dich ist, wirst du in diesem Buch viele, vielleicht auch unerwartete, Antworten finden.
Leseprobe…
Im Alter von zwölf Jahren begann Claire, sich zunehmend unwohl in ihrem Körper zu fühlen. Sie kämpfte mit Angst und Depressionen und wusste zwar, dass die Pubertät eine turbulente Zeit sein konnte. Aber dieses Mal fühlte es sich einfach anders an. […] Sie dachte: „Vielleicht fühle ich mich deshalb so unwohl in meinem Körper, weil ich eigentlich ein Mann sein sollte.“
[…] Doch irgendetwas an diesem Behandlungsweg kam Claires Mutter, die einen Doktortitel in Pharmazie hatte, unvollständig vor. Als die Familie begann, mehr Zeit miteinander und weniger Zeit vor dem Bildschirm zu verbringen, begann Claire sich zu fragen, ob sie feste Geschlechterstereotypen verinnerlicht hatte, die vielleicht einen Teil ihrer Not verursachten.
[…] Claires Dysphorie verschwand langsam und sie fühlte sich allmählich in ihrem eigenen Körper zuhause. Viele Menschen, die Geschlechtsdysphorie erleben oder sich als trans identifizieren, haben jedoch nicht dieselbe Erleichterung erfahren. Der tägliche Stress und das Unbehagen, das sie erleben, sind für andere oft schwer nachzuvollziehen.
Stell dir vor, du würdest dich einen Tag lang als das andere Geschlecht kleiden. Stell dir vor, du wärst im Einkaufszentrum, in der Arbeit, im Fitnessstudio, in der Kirche. Was würdest du empfinden? Unbehagen? Unaufrichtigkeit? Verurteilung? Egal wie unangenehm die Erfahrung auch sein mag, du könntest dich zumindest auf das Ende des Tages freuen, wenn du die Kleidung, die sich so unauthentisch anfühlt, ablegen kannst. Was aber, wenn es der eigene Körper ist, der sich fehl am Platz anfühlt?
Euphorie ist ein Gefühl der glückseligen Freude, der Zufriedenheit und der Begeisterung. Das Gegenteil davon ist Dysphorie: ein Gefühl von Traurigkeit, Unbehagen und Unzufriedenheit. Vom griechischen dys (schwierig) und pherein (ertragen) abgeleitet, bedeutet der Terminus Geschlechtsdysphorie, dass eine Person wegen der Inkongruenz zwischen ihrem Geschlecht und ihrer Selbstwahrnehmung oder ihrer tief empfundenen Erfahrung in Bezug auf diese Identität Not empfindet. Eine Person bemerkte: „Manchmal wird Dysphorie als das Gefühl beschrieben, im ‚falschen Körper‘ zu sein, aber ich denke, das ist nur eine bequeme Erklärung für etwas, das sehr schwer zu beschreiben ist.“ Diese Not kann schwanken und für einige relativ leicht zu bewältigen sein. Für andere kann sie sich als ständiger und lähmender Selbsthass erweisen. Ein Mann erzählte mir: „Wenn ich mich als Mann präsentiere, um es allen anderen recht zu machen, dann fühle ich mich sehr einsam, weil ich gezwungen bin, ihre Vorstellung davon, wer ich bin, zu leben, anstatt mir zu erlauben, mein eigenes Innenleben nach außen hin auszudrücken.“ Ähnlich beschrieb eine Frau ihre Erfahrung, indem sie sagte, sie verbringe „Jahrzehnte in einem Körper, der sich gleichzeitig tot und wie eine ewige Quelle der Qual anfühlt.“ Menschen, die Geschlechtsdysphorie erleben oder sich als trans identifizieren – was nicht gleichzusetzen ist –, sehen sich oft mit vielen anderen Herausforderungen konfrontiert, die über die Inkongruenz hinausgehen, die sie in Bezug auf ihren Körper empfinden. In einer Umfrage von mehr als 6.000 Personen, die sich als trans identifizieren, haben 57 Prozent von ihnen Familienmitglieder, die sich weigern, mit ihnen zu sprechen. Es kann auch sein, dass sie Schwierigkeiten haben, eine rentable Arbeit zu finden und manchmal auf Sexarbeit oder Betteln zurückgreifen, um zu überleben und sich damit den Gefahren dieser beiden Lebensweisen aussetzen. Eine solche Person, die ihre Arbeit verlor und obdachlos wurde, erinnerte sich an die Verzweiflung, die sie empfand: „Ich schrie zu Gott und fragte: ‚Warum lässt du zu, dass mir das passiert, warum? Warum ich? Was habe ich deiner Meinung nach falsch gemacht?‘“
Wenn Christen genauso viel Zeit damit verbringen würden, mit Menschen zu sprechen, die sich als transgender identifizieren, wie sie über Transgender-Schlagzeilen in den Nachrichten reden, wäre die Welt ein besserer Ort. Leider wird das Thema oft auf eine häretische Ideologie reduziert, die bezwungen und widerlegt werden muss. Wenn man die Genderthematik als Schlachtfeld betrachtet, vereinen die als „hasserfüllte, transphobe, rechte Fanatiker“ bezeichneten Personen ihre Kräfte auf der einen Seite des Kulturkriegs, während die „verwirrten, woken, linken Snowflakes“ auf der anderen Seite stehen und zum Gegenangriff bereit sind. Man könnte die Szene auch mit einem Ehepaar vergleichen, das sich anschreit, während das notleidende Kind zwischen ihnen auf dem Boden sitzt und sich unsichtbar fühlt.
Es stimmt zwar, dass es Zeit und Ort für den zivilen Diskurs gibt – und dass es sich hier um wichtige Themen handelt, die zu Recht leidenschaftliche Debatten auslösen –, aber Argumentation allein ist keine Antwort auf die Transgender-Frage. Ein Dialog ist notwendig. Ideologien müssen in Frage gestellt werden, aber zuerst müssen die Menschen gehört werden.
An all diejenigen, die sich als trans identifizieren…
Wenn du Geschlechtsdysphorie erlebst oder dich als transgender identifizierst, ist das erste Wort, das zu du verdienst zu hören, Folgendes:
Es tut mir leid, wenn man dir jemals das Gefühl gegeben hat, dass du nicht in die Kirche gehörst. Du bist nicht der Feind der Kirche und hier ist Platz für dich, während du dich mit deinen Fragen zur Identität auseinandersetzt. Ich bitte dich dafür um Verzeihung, wenn dies in der Vergangenheit nicht deine Erfahrung war. Wir sehen dich. Wir verstehen, dass du dir das nicht ausgesucht hast. Die Gefühle, die dir widerfahren und die Fragen, die du stellst, sind keine Taten des Ungehorsams, die Gott missfallen würden. Vielleicht hast du in deiner Familie, in deiner Glaubensgemeinschaft, in deiner Schule oder an deinem Arbeitsplatz Ablehnung erfahren. Vielleicht fällt es dir schwer, dich selbst anzunehmen. Aber ich bin bereit zu wetten, dass du nicht versuchst, einen Krieg gegen den Katholizismus zu führen. Du bist eher daran interessiert, ein friedliches Leben zu führen und ganz du selbst zu sein. Du bist wahrscheinlich offen dafür, Gott in deinem Leben zu haben, aber du bist dir nicht immer sicher, wie das aussieht. […] So klischeehaft es auch klingen mag, Gott hat einen Plan für dein Leben. Wenn er etwas zu dir sagen könnte, wäre es wahrscheinlich: „Kommt alle zu mir, die ihr mühselig und beladen seid! Ich will euch erquicken“ (Mt 11,28).
Wenn du für diese Einladung offen bist, möchte ich dich um eines bitten: Bitte hab Geduld mit der Kirche, während wir lernen, uns gemeinsam diesem Thema zu stellen. […]
Deshalb habe ich mich beim Verfassen dieses Buches auf die aktuellste Forschung in jedem dieser Bereiche gestützt. Wenn du tiefer in eines der Themen eintauchen möchtest, findest du in den Fußnoten etwa 1.000 Quellenangaben, von denen eine große Anzahl wissenschaftliche Zeitschriften mit Peer-Review sind. Ich habe das Manuskript auch an Doktoren in jedem der oben genannten Fachgebiete geschickt, die unzählige hilfreiche Korrekturen und Klarstellungen machen konnten. Außerdem haben es auch diejenigen gelesen, die nicht mit der Lehre der Kirche übereinstimmen und auch sie haben mir freundlicherweise geholfen, den Inhalt sorgfältiger zu nuancieren. Aber vielleicht am wichtigsten ist, dass ich das Dokument, das du gleich lesen wirst, mit Menschen geteilt habe, die sich als trans identifizieren oder Geschlechtsdysphorie erleben. Ihr Feedback war das hilfreichste von allen.
Die Themen in diesem Buch werden in einem ähnlichen Format präsentiert, wie es der heilige Thomas von Aquin in seinem klassischen Werk Summa Theologiae verwendete. Darin stellt er einen einfachen Einwand in Form einer Behauptung vor und bietet dann eine Reihe von Punkten an, um diese Behauptung zu untermauern. Dabei bietet er kein Strohmannargument an, das sich leicht entkräften lässt, sondern versucht, den Einwand mit gleicher oder größerer Klarheit und Überzeugungskraft darzustellen, als es seine Gegner könnten. Dann bekräftigt er die Wahrheit, die in den Einwänden steckt und baut darauf auf, um zu einer anderen Schlussfolgerung zu gelangen. Für Aquin bestand der Zweck einer Debatte darin, sich gemeinsam auf den Weg zur Wahrheit zu begeben und nicht darin, sich auf einen Wettbewerb einzulassen, um billige polemische Punkte zu sammeln.
Im Folgenden werden 18 der populärsten Behauptungen zur Untermauerung der Gender-Theorie vorgestellt. Einige Kapitel können besonders hilfreich für Universitätsstudenten sein, die einen Kurs in Gender Studies belegen und sich unsicher fühlen, wie sie auf die Behauptungen des Professors antworten sollen. Andere Kapitel verschaffen vielleicht Eltern, Erziehern und Leitern, die sich um Kinder mit Geschlechtsdysphorie kümmern, Klarheit. Schließlich hoffe ich, dass ein Großteil des Inhalts diejenigen zum Nachdenken anregen wird, die einen Zwiespalt zwischen ihrem Geschlecht und ihrer Identität erleben.
Insgesamt soll diese Arbeit eine Antwort auf die Herausforderung geben, die der heilige Johannes Paul II. kurz vor Beginn einer Reihe von Ansprachen, die als Theologie des Leibes bekannt sind, formulierte, als er sagte: „Die Wahrheit, die wir dem Menschen schulden, ist in erster Linie eine Wahrheit über den Menschen.“
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