„Der Zweifel hilft zu vergewissern, was ich glaube, und ist ein Ausschauhalten nach dem Wahren, dem Guten, nach Gott.“ Ist das philosophischer Humbug oder tiefe Erkenntnis? Wir haben näher hingeschaut. 

Text: Annalena Schuh

Wie oft zweifeln wir doch daran, ob etwas wahr ist, sei es, ob die Nudeln wirklich aldente gekocht sind oder nur die Haustür zugesperrt ist. Dies sind Beispiele für Zweifeln an einfach überprüfbaren Tatsachen. Aber man kann auch an seiner Entscheidung zweifeln. Habe ich genug gelernt? Oder wie in meinem Fall, ob der Artikel vollständig geschrieben ist? Genauso kann man auch an tiefgründigen Ideen oder an der Wahrheit einer Aussage zweifeln.

Manchmal zweifeln wir aber auch an Personen, hinterfragen, ob uns dieser Freund wirklich mag. Nicht selten sogar kommt es vor, dass wir an uns selbst zweifeln. Oft machen uns Zweifel richtig fertig. Und doch haben Zweifel auch etwas Gutes. Denn sie geben sich nicht mit dem Augenscheinlichen zufrieden, sondern helfen uns bei der Wahrheitsfindung. Schon die Philosophen beschäftigten sich genau mit diesem Thema und betonten die Notwendigkeit des Hinterfragens und des Zweifelns. Soweit so gut, doch: Wie ver-zweifelt man nicht so schnell daran?

ZWEIFEL AN KONZEPTEN

Wichtig ist, zwischen Person und Sache zu unterscheiden. Ein Freund kann mir Dinge sagen, die ich vielleicht anders sehe, und gleichzeitig werde ich nicht an seiner Freundschaft zweifeln. Wir neigen heute leider oft dazu, jemanden gleich als ganz unglaubwürdig abzustempeln, nur weil er in einer Sache eine andere Meinung hat als wir. Wir können Sachen und Konzepte immer anzweifeln, aber gefährlich wird es, wenn wir gleich davon ausgehen, dass der andere etwas Böses im Schilde führt.

Schon der heilige Augustinus, ein Kirchenvater, betont, dass Zweifeln etwas Bewegendes, etwas Fließendes ist. Das Zweifeln hält uns also in gewisser Weise lebendig, da wir dadurch prüfen, was wir denken, und unsere Gedanken durch das Zweifeln auf die Probe stellen. Jene Gedanken, die diese Probe bestanden haben, dürfen gefestigter bestehen bleiben. Stell dir unser Gehirn wie eine Kläranlage vor: Die Zweifel sind die Siebe, die das Wasser von dem herumschwimmenden Schmutz trennen. Und Aristoteles sagte schon im antiken Griechenland, wer Recht erkennen wolle, müsse zuvor in richtiger Weise gezweifelt haben.

WIE RICHTIG ZWEIFELN?

Zweifel sind in diesem Sinn also unbedingt notwendig, um die Wahrheit zu finden. Doch wie zweifle ich in richtiger Weise? Vielleicht, indem wir unsere Zweifel gut anschauen und versuchen, die Dinge in unserem Kopf etwas auseinanderzuklauben. Was ist es konkret, woran wir zweifeln? Wo gibt es Wahrheiten, die für mich bereits klar sind? Wir haben leider die Neigung, manchmal vorschnelle Schlüsse zu ziehen, und sehen dann alles nur negativ. Wir dürfen zum Beispiel durchaus anzweifeln, ob wirklich wahr ist, was mein Lehrer in der Schule sagt. Aber mein Lehrer oder Schule sind deswegen nicht gleich blöd oder böse und es ist auch nicht gleich alles falsch, was ich hier lerne. Oder bei uns selbst: Nur weil ich oft Fehler mache, bedeutet das nicht, dass ich gar nichts kann oder nichts wert bin. Wir müssen uns in solchen Fällen daran erinnern, was wir schon wissen. Und die Wahrheit ist, dass ich einen Wert habe unabhängig von meinen Fehlern. Einfach weil ich existiere. Und weil Gott mich mit einem Plan erschaffen hat.

GLAUBENSZWEIFEL

Wie sieht es eigentlich mit Gott aus? Dürfen wir an Gott zweifeln? Versteh mich nicht falsch, es gibt Tage, an denen ich mir nicht vorstellen kann, dass Gott ein liebender Gott ist, und dass er gütig ist. Wenn ich auf die Ungerechtigkeit in der Welt schaue, frage ich mich, warum ein liebender Gott schweigt. Das fordert mich manchmal heraus. Wahrscheinlich bin ich damit nicht die Einzige. Gott ist eben nicht so einfach zu überprüfen wie meine Nudeln im Kochtopf. Und dann gibt es ja auch mega viele Meinungen darüber, wer oder wie Gott ist. Von daher ist, glaube ich, auch hier zweifeln erlaubt. Aber dieses Zweifeln sollte uns anspornen, die Wahrheit immer mehr herauszufinden. Es gibt nämlich Dinge, die sind sehr wohl überprüfbar, wie z.B. die Bibel, dass Jesus gelebt hat, sogar sein Tod und seine Auferstehung, und schließlich gibt es die Schönheit und Ordnung der Natur und so viele andere Dinge, die uns daran erinnern, dass Gott da ist und uns liebt. Was mache ich, wenn ich an einer Aussage oder Meinung meines Freundes zweifle? Ich werde am besten mit ihm darüber sprechen. So können wir das auch mit Gott machen. Gehen wir doch konkret mit ihm ins Gespräch darüber. Wenn wir nur glauben, weil es uns andere vorgegeben haben, wird unser Glauben eigentlich nie echt sein können.

ZWEIFEL POSITIV SEHEN

Auch wenn uns Zweifel meistens unangenehm sind, sollten wir sie auch mal positiv sehen. Klar, wenn wir anderen zu sehr nur mit Misstrauen begegnen, dann werden wir uns im Leben sehr schwertun. Aber wenn uns der Zweifel dazu anspornt, die Wahrheit noch mehr herauszufinden, dann sollten wir unsere Zweifel zulassen und sie ernst nehmen. Viele Dinge sind eben nicht so einfach überprüfbar und wir werden der Wahrheit nur einen Schritt näherkommen, wenn wir auch andere Meinungen hören und unsere Meinung immer wieder hinterfragen. Oft passiert es uns ja, dass wir unsere Meinung einfach nur nach dem Mainstream richten, nach dem, was eben alle sagen. Gerade in Zeiten von Medien und Sozialen Netzwerken hat die „allgemeine Meinung“ einen großen Einfluss auf unsere Einstellung. Zweifel helfen uns da, uns danach zu fragen, wie die Dinge wirklich sind. Und das ist manchmal ja ganz positiv.

WIE SEHR BIST DU EIN ZWEIFLER?

Frage dich selbst.

  • Gutgläubig oder Zweifler? Wo würdest du dich selbst eher einordnen?
  • Lässt du dich von Zweifeln gern verunsichern oder gibst du deinen Zweifeln die Chance, dich weiterzubringen?
  • Wo fallen dir Entscheidungen besonders schwer? Überlege, welche Sorge oder auch vielleicht Angst dahinterstecken könnte?
  • Wie gut kannst du Menschen respektieren, die deiner Ansicht nach eine total falsche Meinung vertreten?
  • Wo entdeckst du gerade Zweifel in deinem Leben?
  • Welchen Menschen oder Meinungen vertraust du? Wo bist du eher kritisch?

Zweifel

Wie ist das bei uns selbst?

Zweifel können uns buchstäblich zerfressen, uns ziemlich in unserem Wert verunsichern. Zweifel können uns aber auch stärken und aufbauen. Das sagen unsere YOU! Redakteure ganz persönlich dazu …

„Prüft alles und behaltet das Gute“ (1. Thess 5,21). Diese Bibelstelle ist seit längerem eine Art „Motto“ von mir. Dieser Satz gefällt mir so gut, weil er aufruft, Dinge und Meinungen aller Art zu hinterfragen. Gleichzeitig fordert er auf, nicht alles als schlecht abzustempeln, was nicht unserer Vorstellung entspricht. Die große Botschaft dahinter ist besonders, dass in allem etwas Gutes steckt. So wie Gott in allem und jedem ist. Mit dieser Haltung fällt es mir viel leichter, Diskussionen offen anzugehen, ohne stur auf meine Meinung zu beharren. Denn von Vornherein das Gute in meinem Gegenüber und seinem Standpunkt zu sehen, hilft mir, auch meine persönliche Meinung besser zu vermitteln. So wird es eher eine gemeinsame Suche nach der Wahrheit und nimmt dem Zweifel seinen bitteren Nachgeschmack.

Bild von TanjaTanja

In vielen Werbungen vor YouTube-Videos versprechen mir selbsternannte Marketingprofis, dass ich einfach nur ihren Kurs absolvieren muss, um sofort genauso reich zu werden wie sie. In diesen Momenten ist die Fähigkeit, Aussagen anzuzweifeln, sehr hilfreich. Genau wie Angst, hat auch das Zweifeln eine schützende Funktion, solange das Ausmaß stimmt und die Zweifel nicht zu einem grundsätzlichen Misstrauen werden.

Vielleicht könnte man statt dem eher negativ behafteten „zweifeln“ das Wort „prüfen“ verwenden. Durch die Prüfung stellen sich Dinge als wahr oder falsch heraus. Wenn ich dann einen Gedanken und selbst die vorherigen Prüfungen oft geprüft habe, kann ich mir damit immer sicherer sein. Demnach hilft mir zweifeln und prüfen mehr, hinter meinen Entscheidungen und Ansichten zu stehen.

SebastianSebastian

Ganz ehrlich? Meistens bin ich eine große Zweiflerin. Früher war ich das besonders bei mir selbst und meinen Fähigkeiten. Das bin ich immer noch, von Zeit zu Zeit. Aber es wird besser. Vor allem auch, seit ich gelernt habe, mein Zweifeln für mich zu nützen, um mich weiterzuentwickeln. Denn dann zweifle ich ja nur an meinen Meinungen und Haltungen, meinem Wissen, nicht an mir als Person. Meine Meinungen kann ich ändern und damit lerne ich dazu, wachse daran, komme mir selbst immer näher. Und ganz nebenbei fange ich an zu verstehen, dass es noch so viel zu lernen und entdecken gibt. Es gibt gutes Zweifeln, Hinterfragen, und das habe ich mittlerweile für mich entdeckt. Ich freue mich darüber, dass ich immer reflektierter werde.

Ines

Zweifel zu haben, ist absolut menschlich und gehört zum Leben dazu. Wer nie an seinem Glauben oder seiner Meinung gezweifelt hat, nimmt im Grunde nur das an, was andere ihm sagen. Ein starker Glaube ist einer, der viele Prüfungen und Phasen des Zweifels übersteht. Ich denke, dass unsere Zweifel uns stärker machen, solange wir nicht ewig in ihnen verharren. Das würde uns wahrscheinlich auf lange Sicht frustrieren. Doch am Ende des Zweifels steht immer die Hoffnung auf wahre Erkenntnis. Diese Hoffnung dürfen wir in unserem Leben nicht verlieren, auch wenn die Zweifel mal überwiegen.

DebbieDebbie

Das Schlimmste am Zweifeln ist meiner Meinung nach das Selbstzweifeln. Klar, es ist wichtig, seine Meinungen und Einstellungen hin und wieder zu hinterfragen, doch ständiger Selbstzweifel schadet. Meine Bewerbungen für mein Studium stehen an. Bis jetzt habe ich noch nicht alle fertiggeschrieben. Aber zweifle ich daran, ob ich es rechtzeitig schaffe oder dass sie am Ende doch nicht gut genug sind? Nein. Wenigstens versuche ich es! Denn würde ich daran zweifeln, dann zweifle ich an mir selber, und wenn ich das tue, dann bin ich mir sicher, dass ich am Ende ein schlechteres Ergebnis liefere. Selbstzweifel ist für mich Angst, aber in diesen Momenten versuche ich auch auf Gott zu vertrauen, der gesagt hat: Fürchte dich nicht!

DamianDamian

Ich finde, im Bereich des Glaubens zu zweifeln, ist eine ganz wunderbare „Freiheit“. Zweifel muss sich nicht mit einer Entscheidung für Gott und den Glauben widersprechen, sondern kann in dessen Rahmen frei vorkommen. Gott hat uns einen Verstand gegeben, und ich denke, Gott hat dementsprechend keine Angst, wenn wir ihn verwenden, um Sachen mit Verstand zu hinterfragen. Wenn ich mich nicht fürchte, Gott die Karten meines Zweifels ganz offen hinzulegen und ihm zu sagen: „Hey, Gott, damit kämpfe ich jetzt“, glaube ich, dass das super fruchtbar sein kann. Ich persönlich glaube, dass zweifeln uns dabei helfen kann, mehr Bodenständigkeit und Tiefe im Glauben zu erleben und vielleicht ein verstehenderes Herz für jene zu haben, die sich schwertun, zu glauben.

JuliaJulia

Manche meinen von mir, dass ich vielleicht manchmal zu „gutgläubig“ bin. Ich kann mir eben schwer vorstellen, dass andere Leute nicht ehrlich zu mir sind, dass sie vielleicht mehr ihre eigenen Interessen im Kopf haben. Und ich habe gelernt, dass Zweifel hier manchmal – leider – ganz angebracht wären. Aber prinzipiell habe ich die Erfahrung gemacht, dass das Leben um einiges leichter geht, wenn man dem anderen gegenüber nicht sofort misstrauisch ist, sondern mal das Positive annimmt. Auch auf die Gefahr, dass man enttäuscht wird. Und ich habe erfahren, dass Gott mich da eigentlich immer geführt hat, nach dem Motto: Wenn Gott mir nicht eine Türe offensichtlich zumacht, dann wird es auch nicht so falsch sein. Ich finde das ziemlich befreiend. Also, mal probieren und weiterschauen.

Michael CechMichi
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