Mode spielt für viele von uns eine wichtige Rolle: Sie hilft uns, uns auszudrücken, zu zeigen, wer wir sind. Doch die Modeindustrie trägt auch zu viel Ungerechtigkeit, Ausbeutung und gewaltig zum Klimawandel bei. Nachhaltige, alternative Marken und Second Hand Kleidung sind schon lange in. Aber wusstest du, dass es sogar humanitäre, nachhaltige Labels gibt? Nathalie Schaller hat gemeinsam mit ihrem Mann und Freunden genau so eines gegründet: [eyd] Clothing. Im letzten Jahr hat sie auch ein spannendes, ehrliches Buch zu ihrem Werdegang veröffentlicht, erzählt von den Höhen und Tiefen, ihren Erlebnissen und Motivationen dahinter. Wir haben sie für dich im YOU! Interview fragen dürfen, was es denn nun mit einem humanitären Label auf sich hat.

Interview: Ines Breiner

YOU!: Was ist EYD, was macht euer Label aus und unterscheidet euch von anderen nachhaltigen Marken?

Nathalie: EYD ist nicht nur eco und fair, sondern vor allem auch humanitär. Durch unsere Mode wollen wir gemeinsam mit unseren sozialen Produktionspartnern Frauen empowern, die in ihrer Vergangenheit Ausbeutung und Unterdrückung erlebt haben. Die Frauen erhalten so einen fair bezahlten Arbeitsplatz in einem liebevollen, geschützten und fördernden Umfeld und dadurch eine ganz neue Perspektive für ihr Leben. Daher steht EYD auch für „Empower Your Dressmaker“. Bei EYD investierst du also nicht nur in umweltverträgliche Mode, sondern vor allem auch in die Menschen dahinter.

YOU!: Alles, was ihr macht, ist mehr eine Lebenshaltung als einfach nur ein Unternehmen, oder? Was umfasst das zum Beispiel noch alles?

Nathalie: Fairness liegt uns im Team sehr am Herzen. Wir wollen dabei aber nicht nur fair zum Menschen sein, sondern auch zur Umwelt. Das geht für uns Hand in Hand. Deshalb versuchen wir auch die Umwelt so wenig wie möglich zu belasten, indem wir ökologische Materialien verwenden, Müll vermeiden, keine tierischen Bestandteile verarbeiten usw. Seit kurzem bieten wir in unserem Shop sogar einen freiwilligen Umweltbeitrag an, mit dem zwei ganz tolle Umweltschutzprojekte unterstützt werden.

YOU!: Die vergangenen eineinhalb Jahre waren für viele hart. Wie ist es euch ergangen, außer, dass du nebenbei noch ein großartiges Buch geschrieben hast?

Nathalie: Die Pandemie-Zeit hat uns definitiv vor große Herausforderungen gestellt. Auf einmal haben die Lieferketten nicht mehr funktioniert, wir sind an keine Stoffe mehr ran gekommen, unsere Produktionspartner konnten nur noch eingeschränkt arbeiten und unsere Kunden saßen im Homeoffice und hatten wenig Lust auf neue Mode. Das war nicht einfach. Wir haben uns aber nicht entmutigen lassen, haben uns viele kreative Sachen einfallen lassen und haben vor allem unsere Community über Social Media sehr transparent in unsere Herausforderungen mit reingenommen. Dadurch haben wir viel Unterstützung erhalten. Und nebenbei haben die vielen freien Wochenenden dann auch Luft und Raum für ganz neue Projekte, wie das Buch, gegeben.

YOU!: „Empower you Dressmaker“ – Das ist die Kompaktversion eurer Mission. Was motiviert dich zu deiner Arbeit, was spornt dich an, trotz all der Herausforderungen, die du schon erlebt hast, weiterzumachen? Was „empowert“ dich?

Nathalie: Bei uns ist nie Stillstand. Wir haben so viele Ideen und wollen noch so viel mehr erreichen – also noch so viel mehr Menschen zu neuen Perspektiven und Hoffnung verhelfen. Und dabei die Modeindustrie auf den Kopf stellen. Das spornt mich an. Und natürlich mein tolles Team um mich herum!

YOU!: In deinem Buch sagst du unter anderem „Wir drehen das Verhältnis von Hersteller, Produkt und Konsument auf den Kopf.“ Was genau meinst du damit?

Nathalie: In Business-Workshops wird meist nach der Zielgruppe und den Ressourcen eines Unternehmens gefragt. Bei einem normalen Modelabel sind die Käufer die Zielgruppe. Die Näher und Näherinnen sind die Ressource. Bei uns ist das genau andersherum. Wir machen Mode, um die Näherinnen zu unterstützen. Das ist unsere Zielgruppe. Und die Käufer sind dabei unsere Ressource, denn jeder Kauf hilft uns, den Näherinnen zu helfen. Damit haben wir das typische Business-Model quasi auf den Kopf gestellt.

YOU!: Mode ist für viele, gerade auch Jugendliche oft ein wichtiges Thema. Was würdest du ihnen gerne mitgeben? Worum würdest du sie zum Beispiel bitten und welche Ratschläge kannst du ihnen geben, wenn es um Konsum geht, ihren eigenen Einfluss in der Welt und was alles möglich ist?

Nathalie: Es gibt so viele Probleme auf der Welt – egal ob sozial, gesellschaftlich, ökologisch. Ich denke, dass es keinem hilft, Verantwortlichkeiten zwischen Politik, Unternehmen und Konsumenten hin- und her zu schieben. Es benötigt uns alle, jeden einzelnen, damit sich wirklich etwas bewegt. Auch wir als Konsumenten haben eine große Macht. Wir entscheiden bei jedem Kauf, was für Unternehmenskonzepte und was für eine Welt wir damit unterstützen. Grundsätzlich würde ich jedem raten, lieber weniger, aber dafür besser zu konsumieren.

Wenn du noch mehr über die Entstehungsgeschichte von EYD und Nathalie wissen willst, kannst du dir jetzt auch ihr Buch „Der Stoff, aus dem die Freiheit ist“ bei uns im YOU! Bookstore besorgen!

Aus dem Buch:

„Natürlich finde ich auch wichtig, dass Teenager sich mit den Bedingungen in der anderen, der konventionellen Textilindustrie, mit der Sklaverei in Bangladescher Fabriken und dem Produktionsirrsinn der Modebranche beschäftigen. Aber ich denke, funktionierende Initiativen aus der Gegenbewegung zu sehen, macht der Generation ‚Fridays for Future‘ mehr Hoffnung als nur mit der Unmenschlichkeit des bestehenden Systems und der Ignoranz der darin wirtschaftenden Unternehmen konfrontiert zu werden.“ (S. 164)


„Wir drehen das Verhältnis von Hersteller, Produkt und Konsument auf den Kopf.“ (S. 165)


„Ja, man darf wütend darüber sein. Es ist wichtig, dass wir dazu stehen, was wir an Gutem und an Übel von der Welt gesehen und erkannt haben – und davon unsere Leidenschaft wecken lassen. Es braucht nur etwas Mut und man kann die Energie in etwas Positives und vor allem Aktives mitnehmen! Ein bisschen (unschuldiger) Größenwahn und auch Naivität sind dabei manchmal verlangt, sonst hätte ich zumindest mein Projekt nie gestartet.“ (S. 189)