„Die Uhr an meiner Hand kostet fünfzig Riesen. Aber trotzdem bin ich nicht zufrieden!“

Es geht um Geld, Drogen, Frauen und Rolex Uhren. Deutsch-Rap ist erfolgreich wie nie zuvor. Was hältst du von diesem Hype?

Text: Annalena Schuh

„Bratan“, „Para“, wer kennt sie nicht, diese Begriffe, die nicht nur die neue Rap Szene beherrschen, sondern auch ihren sicheren Einzug in die Jugendsprache gefunden haben. Aktuell erlebt der Deutsch-Rap einen massiven Hype. Namen wie Capital Bra, Apache 207, Samra oder Bonez Mc füllen momentan die Charts meist gleich mehrfach und das mit Lyrics, die zugegeben alles andere als sauber sind. Wir haben näher hingeschaut.

„Bitches stehen auf Para. Und ich steh’ auf Bitches, die auf Para stehen.“ Solche Lines wie in Capital Bras Song „Rolex“ ziehen sich quer durch den neuen deutschen Rap. Para ist übrigens das Wort für Geld, für alle, die es nicht wissen. Geld, Sex, Drogen und auch Gewalt – das sind Themen, die es im Rap zwar immer schon gegeben hat, jedoch noch nie so Mainstream waren wie heute. Ein kurzer Blick in die Charts genügt. In Deutschland und Österreich ist zum Beispiel Capital Bra, gemessen an der Anzahl der Nummer-eins-Hits, der erfolgreichste Künstler der Geschichte. Und er ist zudem der erste Künstler, dem es gelang, innerhalb eines Kalenderjahres acht bzw. innerhalb eines Jahres dreizehn Nummer-eins-Hits in den deutschen Musikcharts zu platzieren. Woran liegt das?

Nachgefragt

Wir haben Jugendliche dazu befragt, wie der aktuelle Mainstream-Rap bei ihnen ankommt. Wie zu erwarten, spielen die Beats und die Melodien einen wesentlichen Faktor. Tatsache ist, dass der neue Deutsch-Rap melodischer geworden ist. Und die Mischung zwischen Melodie und Rap-Parts kommt an. Die Texte sehen einige kritisch, andere aber auch nicht. Zugegeben, die Lyrics sind auch nicht immer nur „bad language“, sondern zeigen auch den ehrlichen Kampf, den jedes Leben bedeuten kann. „Ich bin stark, ich will nicht versagen“, so lauten die gerappten Hymnen und wir können uns da wiederfinden, logisch, denn das Verlangen, stark zu sein, hat jeder. Übrigens ist genau dieser Gedanke das ursprüngliche Herzstück des Raps. Schon damals, als in den amerikanischen Ghettos Unterdrückte schnelle, rhythmische Reime und Lieder von sich gaben, war stets ihr Ziel, sich selbst daran zu erinnern: „Wir werden uns nicht unterkriegen lassen, wir sind stark, die schweren Zeiten gehen vorüber.“

Einsam an der Spitze

Was davon heute geblieben ist, sind die Gedanken vom Kämpfen bis zum Erfolg, aber auch vom überheblichen Selbstpromoten (engl: Ego-Trippin’). Zeilen wie „Ich hab den Style und das Geld“ kommen uns sicher bekannt vor. Weniger vertraut sind uns womöglich die tiefsinnigen Lyrics, wie etwa in „Einsam an der Spitze“, der neuesten Single von Capital Bra: „Ich hätte nie gedacht, dass ich die alte Zeit vermisse. Denn man ist einsam an der Spitze. Ja, ich kann mir kaufen, was ich will, aber keine Menschen, die mich lieben.“ Eine ehrliche Reflexion darüber, ob Geld und teure Marken dann letztlich glücklich machen.

Reflektiere selbst: Hörst du Rap nur, weil du die Musik cool findest und die Beats eingängig sind? Oder lauschst du den Lyrics bewusst? Mit welchen Inhalten kannst du dich identifizieren? Mit welchen nicht?

Einfluss Musik

Eines muss uns klar sein: Unser Umfeld beeinflusst, und Musik ebenso. Egal, ob du dem Text bewusst zuhörst oder ob du die Lieder nur so im Hintergrund laufen lässt. In unseren Worten spiegeln sich unsere Gedanken, durch unsere Sprache kommen unsere Weltanschauungen zutage. Diese Gedanken, Konzepte wiederum entstehen nicht einfach so, sondern werden gebaut wie ein Lego-Haus. Die Bausteine sind die Ideen und Einflüsse, denen wir täglich ausgesetzt sind oder die wir bewusst konsumieren. Man gewöhnt sich schnell an das, was man ständig hört, und wir müssen uns selbst ehrlich fragen, ob wir das auch wollen. Hast du gewusst, dass die Verschreibungen des Suchtmittels Tilidin rasant in die Höhe schnellten, nachdem Capital Bra so oft in seinen Tracks darüber sang? 

Der springende Punkt ist hier: Nicht im Vorhinein alles verurteilen, sondern deine kritische Brille aufsetzen, wenn du Rap hörst, oder besser gesagt, wenn du jede Art von Musik hörst. Wichtig ist herauszufiltern, was dich innerlich aufbaut oder aber was dich eher runterzieht.

Zur Reflexion: Wem oder was bist du täglich ausgesetzt, und hast du schon mal nachgedacht, was das für eine Auswirkung auf dich haben könnte? Mit welcher Musik und welchen Inhalten fütterst du deine Ohren?

Das haben die Jugendlichen unserer Umfrage gesagt…

Beat oder Lines?

  • „Ich muss ehrlich sagen, dass ich den Beat teilweise mag, und manche Lines gut sind, aber sonst mag ich’s nicht.“
  • „Mir gefällt an Rap nur der Takt bzw. die Melodien.“

Ansprechend oder abstoßend?

  • „Ich kann mich mit der Suche nach Freiheit identifizieren.“
  • „Ich kann mich mit gar nichts identifizieren, es kommen viele Schimpfwörter vor.“
  • „Ich finde die Deutschrap Texte abstoßend, asozial und gemein. Es gibt natürlich auch gute Rapper, aber die negativen überwiegen leider.“
  • „Ich finde es schlecht. Es ist regressiv zu vermitteln, dass ein Leben mit Alkohol und Zigaretten ‚toll‘ sei.  Außerdem werden heikle Themen aus falschen Perspektiven angesprochen.“
  • „Ich identifiziere mich mit Texten, die tiefgründiger sind, wo man auch mal nachdenken muss, was der Künstler einem sagen möchte, und wenn der Künstler es schafft, einem von der Seele zu reden. Womit ich mich eher weniger identifiziere, ist Protzerei und das Gutreden bzw. Normalisieren von Drogen und Gewalt.“
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