„Pro Life“ oder „Pro Choice“. Also „für das Leben“ bzw. „für die eigene Wahl“. Das sind zwei Schlagworte, die Menschen oft in zwei Lager teilen, die sich heftig bekämpfen. Es scheint, als ob eine gemeinsame Diskussion gar nicht möglich wäre. Du kennst das vielleicht aus der eigenen Schulklasse oder dem Freundeskreis. Wir haben uns diesmal gefragt, warum diese Frage eigentlich so emotionsgeladen ist. Warum ist Abtreibung so ein Streit-Thema?

Text Michi Cech

Es geht um Leben und Tod, sagen die einen. Es geht um das Recht auf Selbstbestimmung, sagen die anderen. Für Pro Lifer ist klar: Es gibt keinen Grund, ein unschuldiges Leben zu töten. Die anderen sagen, es ist das Recht der Frau, zu bestimmen, wann sie ein Kind bekommen möchte oder nicht. Immerhin ist sie es, die neun Monate ihren eigenen Körper sozusagen zur Verfügung stellen soll. Und wenn Frauen dann noch immer wieder von den Vätern alleingelassen werden, dann wird vielleicht auch verständlich, warum das Thema so emotional wird. Wenn man eine Ungerechtigkeit sieht, ist es manchmal notwendig, auf die Barrikaden zu gehen. Was Abtreibungsbefürworter zu Recht aufregt, ist, wenn Frauen in der Konsequenz, ein Kind zu bekommen und großzuziehen, letztlich immer wieder allein dastehen. Und trotzdem bleibt die Frage: Gibt es jemals einen legitimen Grund, einen anderen, unschuldigen Menschen zu töten?

Im Sommer wurde die Diskussion darüber weltweit ziemlich angeheizt, weil die Obersten Richter in den USA das Recht aus der Verfassung gekippt haben, dass Abtreibung nicht eingeschränkt oder verboten werden darf. Kurz darauf haben einige Bundesstaaten tatsächlich neue Gesetze erlassen und die Abtreibung in ihrem Gebiet jetzt wieder komplett verboten. Für die Pro Lifer ein großer Erfolg. Die anderen hagelten mit heftiger Kritik. Sängerin Pink schrieb sogar einen Protestsong. Und in den Medien wurde diese Entscheidung vielerorts als rückständig beschimpft.

Worum’s eigentlich geht…

Ich möchte mal mit dir überlegen, worum es wirklich geht, wenn wir über Abtreibung diskutieren. Ich glaube, wir diskutieren hier nämlich meistens am eigentlichen Thema vorbei. Darum wird der Streit auch oft so heftig und emotional, weil wir das Problem, das dahintersteckt, gar nicht direkt ansprechen. Ist dir schon mal aufgefallen, dass ein Streit immer dann noch emotionaler wird, wenn das eigentliche Problem gar nicht angesprochen wird? Dann redet man noch mehr aneinander vorbei.

Worum geht’s also, wenn Leute sagen, dass sie „für Abtreibung“ sind, also dass jeder sozusagen das „Recht“ haben soll, abtreiben zu können. Geht es ihnen wirklich um das „Recht“, das eigene Baby im Mutterleib „töten zu dürfen“? Niemand will das. Auch nicht Abtreibungsbefürworter. Niemand möchte abtreiben. Worum geht’s aber dann? Eigentlich geht’s hier um Sex. Lass uns das doch mal klar aussprechen. Wie kommt es denn dazu, dass man schwanger wird? Wenn jemand über ein „Recht auf Abtreibung“ spricht, dann meint er eigentlich ein „Recht auf Sex“, und zwar ohne Konsequenz.

Es ist schon interessant. Warum reden wir in der ganzen Abtreibungsdiskussion nie darüber? Die einen sagen: Ich bin für Abtreibung. Die andern: Ich bin gegen Abtreibung. Aber wir reden nicht über Sex und wie wir das als Menschen leben müssten. Seien wir uns ehrlich. Abtreibung gibt es nur, weil wir nicht „Nein sagen“ können oder wollen. Oder weil wir glauben, dass man als Mensch gar nicht enthaltsam leben kann, außerhalb der Ehe und auch in der Ehe, wenn es gerade Gründe gibt, kein Kind zu bekommen. Können wir ohne Sex nicht leben?

Die allermeisten Gründe für eine Abtreibung sind „der falsche Zeitpunkt“, „Überlastung“ und „Schwierigkeiten in der Beziehung“. Das sind teilweise auch berechtigte Gründe, vielleicht lieber gerade kein Kind zu bekommen. Das Problem ist aber, dass wir uns keine Gedanken über Sex machen. Wir verstehen nicht, welche tiefe Bedeutung es hat, wenn wir mit jemandem schlafen. Wir haben einfach im Kopf, dass Sex nicht in erster Linie etwas mit Babys zu tun hat, sondern zuerst mit Vergnügen. Darum kommt einem ein Verzichten gar nicht in den Sinn. Wenn wir in unserem Kopf aber Sex und Babys trennen, dann funktioniert’s nicht. Auch nicht in der Liebe.

Sex sollte ein Ausdruck für die Liebe sein. Ein Commitment, zum anderen zu stehen „in guten und in schlechten Tagen“. Es ist ein echtes Ja zum anderen. Was bedeutet aber ein Ja, wenn man gar nicht Nein sagen kann? Als Mann muss ich leider sagen, dass es oft so ist, dass vor allem die Männer auf Sex drängen, aber mit den Folgen klarkommen, soll dann die Frau. „Be a man – be responsible!“ Das war ein Spruch, den ich als Jugendlicher immer gut gefunden habe. Wenn ich eine Frau wirklich liebe, dann muss ich doch an die Folgen denken, von dem, was ich tu.

Abtreibung und Verhütung sind keine Lösung. Denn das fördert in der Gesellschaft noch mehr die Haltung, eine Frau muss immer „zur Verfügung“ sein. Das hat nichts mit Freiheit zu tun und auch nicht mit Liebe. Es ist ein größerer Ausdruck von Liebe, wenn ich auf Sex verzichte, solange der Rahmen noch nicht da ist, auch zu einem Kind Ja sagen zu können. Sex ist nicht nur ein Vergnügen, sondern ein Commitment. Und zwar ein wunderschönes. Ich sage mit meinem ganzen Körper: „Ich will dich lieben, achten und ehren, alle Tage meines Lebens und die Kinder annehmen, die Gott uns schenkt.“ Das ist übrigens das Versprechen, dass wir einander bei der Hochzeit geben.

Mein Vorschlag wäre also, reden wir, wenn wir über Abtreibung diskutieren, zuerst mal über die eigentliche Frage: Können wir Sex so leben, dass es ein Versprechen ist? Dass es wirklich eine Hingabe an den anderen wird und nicht etwas, was ich für mich nehme. Sicher, das ist nicht so leicht und wird immer eine Challenge bleiben. Aber beginnen wir, einfach mal darüber zu reden.