Lieber Mönch!

Was ist eigentlich genau die Erbsünde? Was ist das für eine Gerechtigkeit, wenn man unschuldig schon mit der Erbsünde zur Welt kommt? Ich habe gehört, dass dieses Thema schon völlig veraltet ist. Sollte nicht die katholische Kirche ihre Meinung etwas mehr der modernen Zeit anpassen?

Martin

Lieber Martin!

Was ist diese „erste Sünde“? Wie ist das zu verstehen? Wir hören davon in den ersten Kapiteln der Bibel, wo der Mensch an Gottes Liebe zu zweifeln begonnen hat. Diese allererste Sünde, diese „Ursünde“, hatte zur Folge, dass der Mensch die ursprüngliche Heiligkeit verlor und von nun an einen Hang zum Bösen hatte.

Als eine Atombombe in Hiroschima abgeworfen wurde, hatten die nachkommenden Generationen immer noch die radioaktive Strahlung. Oder wenn wir heute unsere Umwelt verschmutzen und zerstören, die Ressourcen unseres Planeten ausbeuten, so werden auch die zukünftigen Generationen die Langzeitfolgen zu tragen haben. Jeder Mensch hat Verantwortung und sein Handeln hat mehr oder weniger eine Auswirkung auf die gesamte Menschheit. Alle Menschen und ihre freien Entscheidungen sind in gewisser Weise miteinander verbunden, verknüpft, kollektiv-abhängig. Und das im negativen aber auch im positiven Sinn. Wo wären wir heute etwa ohne den elektrischen Strom, ohne den Fortschritt etc.?

Ähnlich verhält es sich mit der Erbsünde. Wegen dieser Einheit des Menschengeschlechts und der Sünde unserer Stammeltern verlor der Mensch seine Ausrichtung auf Gott. Seine Gefühle, Leidenschaften und Wünsche waren nicht mehr im Einklang mit seinem Verstand und seinem Geist. Deshalb ist die Erbsünde „Sünde“ im übertragenen Sinn: Sie ist eine Sünde, die man mit der menschlichen Natur miterhalten, aber nicht begangen hat. Sie ist ein Zustand und keine Tat. Leid, Hass, Streit, Gewalt und viele andere Sünden waren die Folgen der Erbsünde.

Doch hat Gott den Menschen in diesem Zustand nicht allein gelassen, sondern immer wieder seine Hilfe angeboten und uns schließlich erlöst durch das Kreuz. Wegen dieser Glaubensgewissheit spendet die Kirche die Taufe zur Vergebung der Sünden selbst kleinen Kindern, die keine persönliche Sünde begangen haben, um sie Anteil haben zu lassen an der Erlösung durch Jesus Christus.

Es ist leider eine Tatsache, dass wir Menschen oft diesen Hang zum Bösen in uns spüren. Schauen wir nur unsere Welt an. Oder auch nur in unser eigenes Herz. Ich würde es eigentlich als sehr modern bezeichnen, wenn wir der Realität ins Auge sehen können. Die Erbsünde ist in diesem Sinn keine „persönliche Schuld“, als vielmehr die Realität, dass wir nicht nur mehr das Gute wollen und tun. Die gute Nachricht unseres christlichen Glaubens ist aber, dass es einen Weg da raus gibt.

Dein Mönch