Das Schöne zieht uns an, erweckt eine tiefe Sehnsucht in uns. Unzählige Studien belegen: Wir sind ständig auf der Suche nach Schönheit. Doch woher kommt das Bedürfnis, schön auszusehen, unsere Wohnung schön zu gestalten, zu schönen Urlaubszielen zu reisen, schöne Dinge zu erschaffen?

Wir bezeichnen viele Dinge als schön. Eine klare Sternennacht. Eine Blume. Ein Bild oder auch Musik. Manche finden sogar Autos schön. Forscher bestätigen, dass wir Dinge als schön bzw. ästhetisch empfinden, wenn sie eine gewisse Ordnung haben. Das können zum Beispiel Symmetrie und regelmäßige Proportionen in der Geometrie oder harmonische Melodien in der Musik sein. Wenn deine kleine Schwester anfängt, Klavier zu spielen, dann ist es zu Beginn meist alles andere als schön, auch wenn Tante Frieda mit Begeisterung „Wunderschön!!“ ruft. Denn erst, wenn Schwesterchen beginnt, die Töne zu treffen, erst wenn es eine Harmonie gibt, dann finden wir das wirklich schön und hören ihr gerne zu. Die größte Bedeutung hat für uns der Begriff Schönheit jedoch beim menschlichen Gesicht. Symmetrische Proportionen ziehen uns an, scheinen vollkommen zu sein. Große Augen, eine hohe Stirn und eine niedrige Kieferpartie wirken bei Frauengesichtern attraktiv, ein kräftiger Kiefer, eine flache Stirn und kleinere Augen bei Männergesichtern. In der sogenannten Attraktivitätsforschung wird sogar fieberhaft daran gearbeitet, eine universale Formel für die Schönheit des menschlichen Körpers zu finden. Lässt sich Schönheit also einfach wissenschaftlich berechnen? Teilweise vielleicht. Aber würde uns so ein „vollkommener“ Körper wirklich auch vollkommen erscheinen lassen?

Boho Girl Portrait at White Brick Wall Background

Nur die Schönheit zählt?

Gerade heutzutage lässt sich ein erbarmungsloser Schönheitswahn in der Gesellschaft beobachten. Was optisch nicht passt wird schnell beseitigt. Stylen, Peelen, Lasern, Zupfen, Concealen, Kaschieren ist angesagt. Die Menschen wollen sich neu formen, um so zu ihrem vermeintlich wahren Selbst zu finden? Eine Goldgrube für die Beautyindustrie. Schönheit ist für viele zu einer Verheißung, einem Glücksversprechen geworden. Je schöner, desto erfolgreicher und beliebter, desto besser wird mein Leben, so die Annahme. Aber ist das wirklich alles? Steckt da nicht noch mehr hinter der Schönheit?

Schön ist, was in uns ist

Schönheit lässt sich eben nicht auf ein perfektes Äußeres reduzieren. Unsere Schönheit zeigt sich vielmehr in unserem Innersten, dem, was uns wirklich als Person ausmacht. Wenn wir Fotos von uns selbst sehen, beklagen wir oft, dass sie uns nicht gefallen, denn sie zeigen nur einen Teil der Wahrheit. Die eigentliche Person, die wir im tiefsten Inneren sind, kann man auf einem Bild nur schwer erkennen. Ein Foto empfinden wir hingegen dann als schön, wenn es zeigt, wer wir sind. Genauso ist es mit dem „Sich-schön-Machen“. Unser Körper soll ja unser Inneres, unsere wahre Schönheit unterstreichen. Wenn wir uns also schönmachen, dann kommt es darauf an, wie wir das machen. Wir können uns gemäß unserer Wirklichkeit – unserer Identität – schönmachen, so wie wir wirklich sind. Die gute Nachricht dabei: Diese Schönheit vergeht nicht!

Beauty woman with white smile at home

Das Unsichtbare lieben

Für einen kleinen Jungen ist die Mutter (zumindest lange Zeit) die schönste Frau der Welt. Warum? Weil er sie liebt. Die Liebe ist es, die den anderen in seinem Inneren sieht. Durch den liebenden Blick eines anderen Menschen erfahren wir uns selbst als schön. Gleichzeitig stellen wir, je mehr man jemanden liebt, fest, dass man das, was man liebt, eigentlich gar nicht sieht. Natürlich kann man den Menschen nicht von seiner äußeren Erscheinung trennen, sie gehört auf jeden Fall dazu, aber sie ist eben auch nicht alles. Der andere ist immer mehr. Der sichtbare Leib zeigt – offenbart – uns in gewisser Weise das unsichtbare Wesen des anderen, das wir lieben. Was wir lieben ist das Unsichtbare und so entdecken wir, dass es auch das Unsichtbare ist, das in uns das Gefühl von Schönheit hervorruft.

young smiling woman hand touch her mouth

Die unvergängliche Schönheit

Schön ist das Unsichtbare. Das klingt aufs Erste vielleicht verkehrt. Doch Ordnung, Symmetrien, regelmäßige Proportionen finden wir schön, weil wir unbewusst eine Intelligenz darin entdecken, einen Jemand, der sich dabei etwas gedacht hat. Im 4. Jahrhundert hat der berühmte heilige Augustinus einen großartigen Gedanken verfasst:

„Frage die Schönheit der Erde, frage die Schönheit des Meeres, frage die Schönheit der weiten und durchdringenden Luft. Frage die Schönheit des Himmels, frage die Ordnung der Sterne, frage die Sonne, die mit ihrem Glanz den Tag erhellt; frage den Mond, der mit seinem Schein die Finsternis der Nacht mäßigt. Frage die wilden Tiere, die sich im Wasser bewegen, auf Erden wandeln, in der Luft fliegen: Seelen, die sich verbergen, Leiber die sich zeigen; Sichtbares, das sich leiten lässt. Unsichtbares, das leitet. Frage sie! Alle werden dir antworten: Wir sind schön! Ihre Schönheit ist ein Bekenntnis. Diese vergängliche Schönheit, wer hat sie erschaffen, wenn nicht die unvergängliche Schönheit?“

Es ist ein faszinierender Gedanke: Wir sind deshalb schön, weil wir hinter jedem Menschen die unvergängliche Schönheit des Schöpfers erahnen, der dem Menschen eine Ordnung aufgeprägt hat, ihn mit seiner unendlichen Seele geschaffen hat. Die Schönheit des Menschen ist tatsächlich sein Inneres, seine unendliche Seele. Schönheit stellt uns vor eine Frage. Über das Leben. Wer wir sind und wofür wir gedacht sind. Warum empfinden wir das Schöne als schön? Was ist das Unsichtbare, das uns so sehr anzieht? Durch die Schönheit lernen wir zu lieben, denn sie ist es, die uns den anderen als liebenswert erscheinen lässt. Und gleichzeitig ist es die Liebe, die uns den anderen als schön erscheinen lässt. Somit hat der Autor Dostojewski mit seinem berühmten Ausspruch vielleicht ganz recht, wenn er sagt: „Schönheit wird die Welt retten.“