Emmanuel Tran, 53, ist erfolgreicher Restaurant-Manager und glücklich mit Nathalie verheiratet. Die beiden haben zwei herzige Teenager-Töchter, Lou-Anh und Mayline. Auf den ersten Blick eine Familie wie jede andere auch. Doch ihre Geschichte ist komplizierter als die von anderen. Und sie beinhaltet ein Wunder – so groß, dass es vom Vatikan untersucht wurde.

Eigentlich hattet ihr Freunde zu einem kleinen Fest eingeladen. Doch am nächsten Tag bist du mit deiner Frau im Krankenhaus gesessen und dachtest, du würdest deine Tochter nie wieder sehen. Was ist dazwischen geschehen?

Wir hatten am 29. Mai 2012 ein paar Familien zu Besuch zu einem kleinen Abschiedsfest, weil wir aus Lyon wegziehen wollten. Es war uns wichtig, dass die Kinder Abend essen, bevor sie anfangen zu spielen. Sie wollten nicht und wir drängten sie. Mayline war damals dreieinhalb und ihr erster Bissen ist ihr im Hals steckengeblieben. Wir haben alles versucht, aber nichts hat geholfen. Auch nicht das Heimlich-Manöver.

Ich habe gefühlt, wie meine kleine Tochter in meinen Armen stirbt.

Ich bin auf die Straße gerannt, weil die Sanitäter so lange gebraucht haben und ich dachte, auf der Straße finden sie uns schneller. Während wir auf sie warteten, habe ich Mayline am Gehweg wiederbelebt. Auch sie haben das Stückchen Wurst lang nicht aus ihrem Hals bekommen. Sie hatte aufgehört zu atmen und keinen Herzschlag mehr. Nach einer erfolgreichen Wiederbelebung brachten sie unser kleines Mädchen dann ins Krankenhaus. In der folgenden Nacht hatte sie immer wieder Herzstillstände. Irgendwann hat uns ein Arzt gesagt: „Wir wissen nicht, ob sie die Nacht überlebt. Wir schaffen es einfach nicht.“ Ich kannte mich mit erster Hilfe aus und habe sofort verstanden, wie hoffnungslos es aussah. Nathalie hingegen hat immer nur wiederholt: „Aber sie hat sich doch nur verschluckt!“

Am nächsten Morgen konnten wir endlich zu ihr. Sie hatte eine Lungenembolie und überall waren Schläuche und Drähte. Das MRT an dem Tag ergab, dass ihr Hirn massive Schäden hatte. Die Ärzte trösteten uns und erklärten, die ersten Bilder seien noch nicht entscheidend. Am dritten Tag sahen die Befunde noch schlechter aus. Am 10. Tag waren die Gehirnströme beidseitig verloren. Das beste Szenario für unsere Tochter war ein sehr tiefes und irreversibles Koma. Die Mediziner wollten dann direkt das „Projekt Lebensende“ mit uns angehen. Wir sagten ihnen: „Das geht nicht. Das ist viel zu früh für uns. Das können wir nicht.“ Wir sind diesen Meetings mit den Ärzten ein paar Mal entkommen und dann haben sie uns vorm Lift angehalten: „Wir müssen etwas unternehmen.“ Ihr Rat war, die künstliche Ernährung einzustellen. Wir waren schockiert. „Auf keinen Fall lassen wir unsere Tochter verhungern!“

Zu dem Zeitpunkt haben wir erfahren, dass eine Mutter aus Maylines Schule mit der ganzen Schule eine Novene zu Pauline Jaricot für sie beginnen wollte. Der Kardinal hatte dieser Gebets-Initiative vom 15. bis 23. Juni 2012 zugestimmt.

Habt ihr da mitgemacht? Konntest du in dieser Lage überhaupt hoffen?

Ich habe mitgebetet, so gut ich konnte. Aber ich war gar nicht getauft. Nathalie hat die Muttergottes um Hilfe gebeten, weil sie sagte, eine Mutter verstehe ihren Schmerz. Nach der Novene hat Mayline die Krankensalbung bekommen. Dabei hat der Priester zu mir gesagt: „Dieses Kind sieht nicht sterbend aus. Sie sieht aus, als würde sie schlafen.“ An dem Tag habe ich das erste Mal gebetet: „Lieber Gott, wenn du sie nehmen musst, dann liebe sie so, wie wir sie lieben. Wenn sie bleiben kann, dann lass sie so bleiben, wie sie war.“

Damals habe ich alles in die Hände Gottes gelegt. In dem Moment wusste ich, wenn jemand etwas tun kann, dann ist es Jesus. Sonst niemand.

Wie ist es dann weitergegangen?

Am nächsten Tag wurde sie mit einem Krankentransport nach Nizza gebracht, weil wir kurz drauf dorthin gezogen sind. Als sie im Krankenhaus ankam, war sie komplett verändert. In ihren Augen war plötzlich wieder Leben. Nathalie und ich haben uns angeschaut und hatten beide den Eindruck: Sie ist zurück. Wir haben die Schwestern gefragt, was passiert war unterwegs. Sie haben uns versichert, dass nichts Außergewöhnliches vorgefallen sei. Im Auto auf dem Rückweg, das war am 2. Juli, sprach Nathalie unsere gemeinsame Hoffnung laut aus: „Ich glaube, es ist ein Wunder geschehen.“ Kurz darauf sagten uns die Ärzte:

„Dieses Kind wird nicht sterben. Ihre Unterlagen und ihr Gesundheitszustand passen nicht zusammen.“

Zuerst dachten wir, sie hätten die falschen Unterlagen aus Lyon bekommen. Aber es waren die richtigen. Ihr Zustand hatte sich einfach so drastisch verändert. Trotzdem war klar, sie würde niemals mit ihrer Umwelt interagieren können. An Sprechen oder Gehen nicht zu denken! Aber Nathalie hatte schon bald den Eindruck, Mayline würde mit ihr kommunizieren. Die Ärzte versicherten uns, dass das leider völlig unmöglich sei. Maylines Gehirn war total zerstört. Und doch berichtete Nathalie immer wieder: Sie spricht mit mir. Ich war zu dem Zeitpunkt hin- und hergerissen zwischen den Aussagen der Experten und denen meiner Frau.

Bis ein Arzt kam, um sie zu untersuchen, und bemerkte, dass sie auf seine Behandlung reagierte. „Das ist komisch, das sollte sie nicht tun.“ Einen Moment später sagte Mayline laut und klar: „Mama.“ Wir haben den Arzt angeschaut. Auch er hatte es gehört. Schon kurze Zeit später saß sie im Bett, hat gespielt und gelacht und dann war klar, sie war im falschen Krankenhaus. Sie war ja nicht mehr sterbend. Sie kam in ein Spital für Kinder mit multiplen schweren Behinderungen, aber sie lernte jeden Tag etwas Neues. Auch dort passte sie bald nicht mehr hin.

Die Dame, die die Novene angefangen hatte, rief uns ein halbes Jahr später an und fragte nach unserem Ergehen. Als wir berichteten, dass Mayline wieder in den Kindergarten ging, konnte sie es nicht fassen. So fing die Untersuchung des Wunders an. Alle Experten, die später die Befunde sahen, glaubten es zuerst nicht.

Um jemanden seligzusprechen, muss die Person erwiesenermaßen an einem Wunder beteiligt gewesen sein. Zehn Jahre nach der Novene zu Pauline Jaricot wurde sie seliggesprochen. Wie wird so etwas beurteilt?

Mit sehr, sehr vielen Untersuchungen. In Frankreich und dann in Rom. Viele Gespräche mit vielen Experten. Heute ist unsere Geschichte, bzw. die Erklärungen der sieben Ärzte im Dokumentationszentrum für Wunder des Vatikans.

Wie hat sich die Geschichte auf dein Leben ausgewirkt?

Als sie im Koma lag, träumte ich von Mayline. Meine Hände haben gebrannt und eine Stimme sagte:

„Lege deine Hände auf deine Tochter und sie wird geheilt.“ Ich dachte, ich könnte ihr weh tun. Aber die Stimme war so klar. Ich hätte sie jederzeit wieder erkannt. Diese Stimme ließ keinen Zweifel zu. Ich wusste, Jesus hatte zu mir gesprochen.

Und doch dachte ich: Wieso spricht Jesus ausgerechnet mit mir? Ich bin einer von 8 Milliarden. Nicht mal getauft. Ich habe mich deshalb nicht getraut, es zu tun. Als einige Wochen später das Wunder geschehen war, wurde mir klar, mein Glaube war zwar klein, aber Gottes Macht, Wunder zu tun, war es nicht. Ich habe gerade bei „The Chosen“ das Heilungswunder des kleinen Mädchens gesehen. Genauso war es bei uns. Ich lerne selbst immer noch mehr über das Große, das uns passiert ist.

Du hast dich dann taufen lassen und bist in die Kirche eingetreten und seit der Seligsprechung erzählst du eure Geschichte. Wie ist das für dich?

Es hilft mir, wenn ich über das Wunder spreche. Ich hatte Angst, dass ich egoistisch wäre, weil ich selbst so viel Freude habe, wenn ich unsere Geschichte erzähle. Aber ich habe gemerkt, dass Gott sie nutzt, um Menschen zu bewegen und zu stärken. Ich bin so froh, wenn der Glaube der Menschen gestärkt wird durch dieses Wunder. Menschen sagen mir, sie wissen nun, dass Gott helfen kann. Auch wenn er bei ihnen nicht gemacht habe, was sie sich gewünscht hätten. Das ist so ergreifend. Vor einer Weile habe ich vor einer Gruppe von Priestern gesprochen. Einer von ihnen kam danach zu mir und erklärte mir bewegt: „Ich bin so glücklich über deine Tochter. Ich habe damals bei der Novene für sie gebetet und wusste nicht, was aus ihr geworden ist.“ Der Papst sagt ja immer, der Glaube braucht Zeugnisse. Ich werde daher nicht aufhören, meine Geschichte zu erzählen.

Eure Familie hat Himmlisches erlebt, könnte man sagen und doch ist es nicht immer leicht?

Für Mayline ist es nicht einfach. Sie ist so im Rampenlicht gestanden nach der Seligsprechung, dass viele Jugendliche zu ihr kamen und gesagt haben, das ist doch Unsinn. Jesus, der Sohn Gottes! Das glaubst du ja wohl selbst nicht! Das war für ihren eigenen Glauben eine schwere Prüfung. Sie war bei der Seligsprechung 13 und hat echt gestrauchelt.

Kann man sagen, dass sich euer Leben und eure Welt durchs Gebet vollkommen verändert hat?

Als wir an Maylines Bett saßen, hatten wir das Gefühl, wir seien ganz allein. Aber heute weiß ich, wenn wir uns umgedreht hätten, hätten wir gesehen, dass 500 Millionen Menschen hinter uns standen. So ist es immer mit dem Beten. Wir sind nie allein. Und es passieren große Dinge. Ich wünschte, die Menschen wüssten, was Gebet bewegt und was Gott vollbringt. Die Welt spricht immer über das Negative, das so viel Raum einnimmt, und so verlieren wir den Glauben an das Wundervolle, das überall passiert! Wir müssen nur die Augen aufmachen und die Zeichen sehen. Die riesigen und die winzigen. Sie sind überall. Ich werden diese Gnaden jedenfalls versuchen, ein Stück weit zurückzuzahlen, indem ich über sie spreche.

Wer war Pauline Marie Jaricot? Festakademie über die selige Pauline Marie Jaricot (22.10.2022) - Stift Heiligenkreuz
Pauline Marie Jaricot (1799-1862) hatte als Teenagerin beim Kartenspielen die Idee, die im Jahr 1822 zur Gründung des „Werkes der Glaubensverbreitung“ führte. Innerhalb weniger Jahre konnte die Organisation Millionen für die Mission sammeln. Heute sind die Päpstlichen Missionswerke überall auf der Welt vertreten und allein Missio Österreich hat im vergangenen Jahr über 600 Projekte für die Ärmsten in der Weltkirche umgesetzt.

Pauline selbst war Tochter reicher Eltern und hatte sich früh bekehrt. Sie rief den lebendigen Rosenkranz ins Leben, schrieb ein Buch über die Eucharistie, wirkte karitativ in ihrer Heimat Lyon, gab eine sehr erfolgreiche Zeitschrift über die Mission heraus und versammelte viele junge Frauen um sich herum. Beim Versuch, eine gerechte Fabrik mit fairen Bedingungen für die ärmsten Arbeiterfamilien zu gründen, wurde sie von Betrügern um ihren geerbten Reichtum gebracht. Sie litt furchtbar, blieb aber voller Liebe und ohne sich je als Opfer zu fühlen. Die Heilung von Mayline Tran auf die Fürsprache von Pauline führte 2022 zu ihrer Seligsprechung.