Kürzlich saß ich am Bahnhof und wartete auf meinen Zug. Plötzlich beginnt sich die Dame, die gegenüber von mir saß, sich mit dem Kerl neben mir zu unterhalten. Über Jesus. Und darüber, dass er in die Hölle kommt, wenn er nicht an Jesus glaubt. Ich war zu feige, um mich einzumischen und kochte bloß innerlich. „So funktioniert Evangelisation doch nicht!“ Ich hätte ihr sagen sollen, wie es besser geht, anstatt mich gedanklich über sie aufzuregen.

Gut, nun ist es zu spät. Diese Gelegenheit habe ich verpasst. Ich kann nur dir als Leser eine Geschichte näherbringen, wie ich durch Straßenevangelisation einen Freund gefunden habe. Spoiler: Mit „Du kommst in die Hölle“ passiert so etwas im Normalfall nicht.

Nicht nur eine peinliche Situation…

Es war im Herbst 2017 bei den Loretto-Herbsttagen in Wien. Nach ein wenig Programm kam der Auftrag: Geht zu zweit hinaus und erzählt den Menschen von Jesus. Wir gingen dann zu Dritt, da wir Schwierigkeiten hatten, bis zwei zu zählen. Also machten Markus, Elena und ich uns auf den Weg. Wir beteten, dass Gott uns die Personen zeigt, auf die wir zugehen sollen. Irgendjemand hatte das Gefühl, wir sollten nach einer Person mit schwarzen Stöckelschuhen suchen. Markus meinte auch, ihm sei im Gebet der Name „Angela“ eingefallen. Dank meiner scharfen Kombinationsgabe sprach ich also die erstbeste Frau mit schwarzen High-Heels an, ob sie denn Angela heiße. Ob man es glaubt oder nicht: Sie hieß nicht Angela. Nun, das war peinlich. Ich sagte irgendwas in Richtung „Oh… Naja, Jesus liebt dich trotzdem“. Der Mann neben ihr schob sie genervt weiter und sagte „Jaja, und wir lieben Jesus.“ Bin ich vor Scham im Boden versunken? Vielleicht…

Aber so schnell gebe ich nicht auf und so setzte ich mich in der Mittagspause, nach einem kurzen Gebet, dass Gott meine drei Cheeseburger zu einem Segen für meinen Körper machen möge, zu einer jungen Frau, die ganz alleine am Tisch saß. Aber auch bei ihr hatte ich das Gefühl, sie wolle nicht wirklich plaudern. Nächster Reinfall…

Wir sind dann weiter zum Stephansdom spaziert. Unterwegs haben Elena und ich uns eine imaginäre Umfrage von drei Fragen über den Sinn des Lebens und Gott überlegt. Markus ist inzwischen irgendwohin verschwunden. Ich weiß bis heute nicht, wo er auf einmal war. Auf jeden Fall wollten wir mit Leuten über diese Fragen sprechen. An der Mauer des Domes lehnte also ein Mann, der mit seiner Glatze, Sonnenbrille und Körperhaltung 100%ig danach aussah, als ob er nicht angesprochen werden wollte. Also sprach ich ihn an. Zum Erstaunen aller Beteiligten hatte er keine Zeit für uns. Ich meinte, er sähe allerdings so aus, als hätte er genug Zeit. Er ist dann ein wenig ungemütlich geworden und hat mich ziemlich zur Schnecke gemacht. Das brauchen wir hier nicht weiter auszuführen. Ich frage mich was ihn denn so gestört hat… Das werde ich wohl nie erfahren. Ich brauche wohl nicht zu erwähnen, dass ich nach diesen nicht-ganz-so-glorreichen Begegnungen ein wenig fertig war. Also sind wir für 10 Minuten in die Anbetungskapelle im Dom gegangen.

Der Typ hat noch etwas entgeisterter ausgesehen als der Herr auf diesem Symbolbild.

Letzter Versuch.

Als wir wieder draußen waren, habe ich mich überreden lassen, es wenigstens ein letztes Mal zu versuchen. Also sprachen wir den jungen Mann an, der auf einer Parkbank saß. „Dürfen wir dir ein paar Fragen stellen?“ – „Aber gerne doch!“ Oha, die erste Reaktion, die ich tatsächlich nicht erwartet hätte. Also fragten wir ihn, was denn der Sinn des Lebens sei. „Gute Frage. Bis vor Kurzem hätte ich noch Erfolg gesagt, denn ich habe eine Firma geführt. Dann lag ich aber mit einem Burnout im Krankenhaus. Das hat mir zu denken gegeben!“ Wir hatten noch eine halbe Stunde ein unglaublich tolles Gespräch, dann musste er gehen. Wir tauschten noch Nummern aus, waren uns allerdings beide recht sicher, dass wir uns nie wiedersehen würden. Schließlich wohnte er in München, ich in Wien. Und wer hält wirklich Kontakt zu einem Menschen, den man kurz auf der Straße kennengelernt hat?

Zehn Monate später trafen wir uns dann in Salzburg. Wir hätten nie erwartet, dass daraus je etwas werden würde. Er meinte, er würde, sollte ich mal in Salzburg sein, extra die zwei Stunden rüberfahren. Das Treffen war eine Bereicherung für uns beide und somit kann ich sagen: Ich habe einen Freund auf der Straße gefunden. Ob er jetzt eines Tages zum Glauben findet oder nicht, das liegt in Gottes Hand. Ich glaube aber, dass diese Art der Evangelisation weitaus höhere „Erfolgschancen“ aufweist, als jemandem einfach schnell auf der Straße zu erzählen, dass er jetzt sofort an Jesus glauben soll.

Ich möchte mit diesem Blog zur Evangelisation ermutigen! Straßenevangelisation ist etwas Gutes und ich kenne Leute, die dadurch sogar gläubig geworden sind. Aber es funktioniert nicht auf Quantität. Man muss – wie ich in diesem Beispiel – oftmals viele Rückschläge erleiden, bis die eine Person auftaucht, von der Gott sagt: „Das ist die Person, um die du dich kümmern sollst.“ Und auch da ist die Lebensübergabe an Ort und Stelle eher eine Seltenheit. Ich habe es zumindest noch nie erlebt. Hätte ich gerne. Aber ich glaube, Gott hat etwas weniger Stress als wir Menschen. Also trau dich, Menschen auf der Straße kennenzulernen. Es können wunderbare Freundschaften daraus entstehen und alleine das ist es schon wert!

Text: David Strodl / Foto: IStock