Lieber Mönch!

Mitten in der Abschlussfeier unserer Klasse vor den Ferien bekamen wir eine sehr traurige Nachricht, nämlich, dass ein Freund von uns gestorben war. Er war von einer anderen Schule, aber die meisten haben ihn gekannt. Alle haben sich gefragt, warum er? Warum heute, an dem Tag, auf den wir uns alle schon so gefreut hatten und den wir so toll vorbereitet hatten? Warum, er war erst 14! Ich frage mich auch, warum Gott so etwas zulässt. Kannst du es mir vielleicht erklären?

Laura, 14

Liebe Laura!

Das tut mir sehr Leid für dich und deine Freunde und Freundinnen! Der Tod, oder wie wir Franziskaner sagen, Bruder Tod, kommt immer unerwartet und fordert uns jedes Mal aufs Neue heraus. Es gibt sehr viele Menschen, die um eine gute Todesstunde beten, weil doch jeder von uns, mehr oder weniger, Angst hat zu sterben. Als junge Menschen
sehen wir das ‚Gott sei Dank!’ anders, aber wenn man dann etwas älter ist, kommt die Realität des Sterbens immer konkreter auf uns zu. Wenn wir mit dem Tod konfrontiert werden, trifft es uns immer auf zwei Arten. Zum einen werden wir an unser eigenes sterbliches Leben erinnert und wir wissen, dass auch wir irgendwann mal an der Reihe
sind. Zum anderen sind wir „Opfer“ des Todes, denn wir sind die Hinterbliebenen, die um den Verstorbenen trauern und als verwaiste Brüder und Schwestern zurückbleiben.

Wer wann und wie sterben darf – das weiß nur Gott, und das ist gut so. Seine Gedanken und sein Wissen übersteigt alles uns Begreifliche. Sehr oft wird der Tod als Strafe oder in sonstiger Art und Weise negativ gesehen, doch das kann man als Christ so nicht stehen lassen. Denn der Tod ist der Durchgang zu einem neuen, ewigen Leben bei Gott. Als mein Großvater starb, waren all meine Verwandte natürlich sehr traurig, doch das konnte ich als Kind nicht verstehen, denn für mich war klar, dass es doch das Schönste sein müsste, wenn man für immer bei Gott sein darf. Das meinten dann meine Verwandten auch, doch eben dann mit Tränen in den Augen.

Als dann meine Schwester starb, ich war im gleichen Alter wie du, sah meine Realität wieder anders aus. Die gleichen Fragen, jedoch andere, für mich nicht mehr ausreichende Antworten. Wichtig ist in dieser Lebensphase, dass wir einander Trost und Stütze sind. Das Schlimmste wäre, wenn sich jemand zurückzieht und allein versucht, diese Situation zu bewältigen. Als Christen dürfen und müssen wir einander helfend zur Seite stehen. Geteiltes Leid ist halbes Leid! Ich möchte dich jetzt nicht vertrösten, aber wenn du dann einmal vor Gottes Angesicht stehst, dann kannst du ihm genau diese Fragen stellen und er wird sie dir beantworten und du wirst verstehen, Warum und Weshalb.

Für mich hat sich das Mysterium vom Tod meiner Schwester schon teilweise entschlüsselt und ich bin dankbar, dass ich all meine Verstorbenen kennen und lieben lernen durfte. Bestimmt war für deinen Freund genau dieser Tag und diese Stunde der richtige Zeitpunkt. Wir dürfen mit Bruder Tod leben, oder müssen mit dem bestialischen Gesicht des Todes leben. Ich habe mich für den Bruder Tod entschieden und lebe sehr gut damit, denn die negative Seite des Todes hat Jesus mit seinem Sterben neutralisiert. Wir beten in der Osterliturgie vom „süßen“ Tod, durch den wir dann in die Herrlichkeit Gottes gelangen können. Liebe Laura, ich wünsche dir in diesen schweren Tagen die heilende Nähe unseres Gottes und offene Ohren und unverschlossene Lippen, damit ihr einander beistehen und helfen könnt. Ist es nicht schön zu wissen, dass es jemanden gibt, der vom Himmel aus auf uns schaut?

Dein Bruder Markus

[Foto: (c) istockphoto]