Drogen, Magersucht, Depressionen – die Probleme der Jugendlichen aus der Gemeinschaft Cenacolo sind verschieden. Jedoch, sie alle waren mit ihrem Leben am Ende, bevor sie hier einen Neuanfang versuchen wollten.

Damals. Angefangen hat alles mit einem Joint. Mal hier, mal da. Ob es gesund ist oder nicht, tut für ihn nichts zur Sache. Die Zukunft ist sowieso egal. Alles, was zählt ist das Jetzt. Es geht darum, zu vergessen. Die Droge stillt den Schmerz, sie füllt die innere Leere. Wenigstens für diesen einen Augenblick. Doch dann ist das Gefühl wieder weg und es entsteht das Verlangen nach mehr. Immer mehr von diesem Stoff, der das Elixier des Lebens zu sein scheint.

Die verzweifelte Suche nach dem Glück

Josip ist gerade mal 16 Jahre alt, als er beginnt, Drogen zu nehmen. Aufgewachsen ist er in einer armen bosnischen Familie in der Nähe von Sarajevo, einer Stadt in Bosnien Herzegowina. Seine Jugend ist geprägt von vielen Herausforderungen: Überall sind die Spuren des Krieges noch sichtbar. Viele Jugendliche und Familien um ihn herum haben die Hoffnung verloren, die Trostlosigkeit ist allgegenwärtig. Josip bricht die Schule ab. Das Leben befriedigt ihn nicht mehr. Schließlich muss es doch mehr zu bieten haben als diesen ständig gleich bleibenden grauen Alltag: aufstehen, Schule, arbeiten, schlafen und schon beginnt der nächste Tag.

„Mein Leben war eine Goldsuche, dort, wo das Gold nicht war.“

Die Sinnlosigkeit muss gefüllt werden. Warum nicht einfach mit Rebellion? Schon früh beginnt Josip zu rauchen und andere Erfahrungen der Straße kennenzulernen. Es dauert nicht lange, bis die Droge und das Nachtleben in der Diskothek zu seinem neuen Lebensinhalt werden. Das starke Gefühl durch die Droge fasziniert ihn. „Ich habe Drogen genommen, weil mich alles, was mir das Leben vor der Droge angeboten hat, nicht zufriedenstellen konnte. Deshalb habe ich nach stärkeren Dingen gesucht. Die Droge war so etwas“, erzählt Josip. Heute weiß er, dass die Droge Ausdruck seiner verzweifelten Suche nach einem Sinn war. „Jeder ist doch auf der Suche. Die Jugendlichen heute wissen oft selbst gar nicht, was sie suchen, aber sie suchen. Nur leider oft an den falschen Orten. Und so war auch mein Leben, es war eine Goldsuche, dort, wo das Gold nicht war.“

Die Flucht vor sich selbst

Die Diskothek ist prallvoll. Überall sind Leute. Und trotzdem fühlt sich Josip einsam. Es ist niemand da, der seinen inneren Schrei hört. Ein jeder schaut nur auf sich selbst. „Es gibt so viele Leute und doch ist jeder alleine. Niemand versteht dich, du bist bei niemandem wirklich du selbst. Du hast Angst davor, dich so zu zeigen, wie du wirklich bist. Du versteckst dich hinter einer Maske, weil du verletzt bist“, erzählt Josip. Warum auch die Maske lüften? Wer sollte sich deiner denn annehmen? Also doch lieber die Droge, denn sie hält die Maske weiterhin aufrecht. Der Rausch hält Josips innere Verletzungen bedeckt. Anstatt in sich zu gehen, führt ihn die Droge immer weiter weg von sich selbst: „Während ich so gelebt habe, habe ich die Hoffnung auf ein gutes Leben verloren. Am Anfang ist es schön, die Droge gefällt dir auch, aber nach einiger Zeit wird es immer mehr ein Leiden. Du kommst an einen Punkt, wo es dir immer schlechter geht, wenn du Drogen nimmst.“

Der letzte Hoffnungsschimmer

Mit 22 Jahren lernt Josip die Gemeinschaft Cenacolo kennen. Verdanken tut er dies seiner Mutter. Sie hat einen Bericht über die Gemeinschaft im Radio gehört. Gebetet hat sie bereits viel für ihren Sohn. „Als ich einmal nach Hause gekommen bin, hat sie mir davon erzählt und da ich nichts zu verlieren hatte, schaute ich mir das an“, erinnert sich Josip. Schon bei der ersten Begegnung mit den Jungs der Gemeinschaft merkt Josip, dass es dort etwas gibt, was er bisher noch nicht erfahren hat. „Ich habe gesehen, wie die Jungs geredet haben und war beeindruckt von dieser Reinheit. Nach drei Monaten bin ich in die Gemeinschaft eingetreten, weil in mir dieser Wunsch war, gut zu sein. Die Droge deckt das einige Zeit zu, aber irgendwann bist du nicht mehr glücklich.“

Die Gemeinschaft Cenacolo

Die Gemeinschaft Cenacolo, die 1982 von der italienischen Klosterschwester Elvira Petrozzi gegründet wurde, ist ein Zufluchtsort für Jugendliche mit Schwierigkeiten. Die meisten jungen Leute treten in die Gemeinschaft ein, weil sie von den Drogen loskommen wollen. Manche haben aber auch mit anderen Problemen zu kämpfen wie Magersucht, selbstverletzendes Verhalten oder Depressionen. Die Gemeinschaft, das tägliche Gebet und die Arbeit führen dazu, dass die Jugendlichen ihre Probleme bewältigen können. Die Erfolgschancen liegen überdurchschnittlich hoch. Eine wichtige Hilfe dabei ist der „Schutzengel“: Er ist ein Altbewohner, der einem Neuankömmling zur Seite gestellt wird, sich um ihn kümmert und ihm zum Freund wird. Hier versteht es niemand besser zu helfen als der, der bereits alles selbst durchgemacht hat.

Das Leben in Cenacolo ist alles andere als leicht.

Nicht alle, die zu Cenacolo kommen, glauben an Gott. Im Gegenteil: Viele von ihnen sind sogar sehr weit entfernt vom Glauben. Rosenkranz, Messe, Anbetung – manchmal ist all dies auch völlig unbekannt. Aber besonders durch das Vorbild der anderen und die Erfahrung der Gemeinschaft und Liebe, entsteht in vielen eine tiefe Gottesbeziehung. Das Leben in der Gemeinschaft Cenacolo ist alles andere als leicht, besonders am Anfang. Jeder Tag unterliegt einem strengen Tagesablauf. Es gibt feste Gebetszeiten und die tägliche Arbeit ist genau eingeteilt. Jede der weltweit 60 Gemeinschaften ist ein Selbstversorgerhaus und lebt von dem, was Gottes Vorsehung ihnen schickt. Arbeit gibt es immer genug, sei es im Garten, in der Küche oder im Stall. Auch die kleinste Aufgabe ist wichtig und findet Wertschätzung, weil mit ihr etwas verändert wird. Doch trotz allem kommt auch die freie Zeit nicht zu kurz: Sport und Spaß gehören ebenfalls zum Leben der Gemeinschaft.

Die Bedeutung des eigenen Willens

Josip will sein Leben ändern. Wie alle anderen Jugendlichen, so kommt auch er zur Gemeinschaft Cenacolo, weil er die Hoffnung auf ein erfülltes Leben wiederfinden will. Doch trotz seines Willens ist der Weg hart. Jeder Tag erfordert eine neue bewusste Entscheidung. Ja oder Nein. Altes oder neues Leben. Trägheit oder Willenskraft. Besonders die erste Zeit ist geprägt von einem inneren Kampf. Auf einmal zählen andere Werte. „Die Gemeinschaft hat uns gelehrt, Opfer zu bringen und nicht den einfachsten Weg zu gehen. Die Gemeinschaft lehrt uns beispielsweise, zu beten – ob man Lust hat oder nicht.“ Josip weiß, dass die Gefühle oftmals nicht den richtigen Weg weisen. Nicht immer geht es um Lust und Unlust. Getragen wird die erste Zeit vielmehr von der bewussten Entscheidung, dem Willen zur Veränderung. Das Gute muss jeden Tag neu gewählt werden.

Der Weg zum Leben

„Ich war der Abschaum des Abschaums, der Letzte der Letzen. Die Gemeinschaft hat mich aufgenommen, als mich niemand wollte. Ich war es nicht gewohnt, dass man von mir keine Gegenleistungen erwartete oder mich nicht ausnutzte. Das Einzige, was ich geben konnte, waren meine Schwierigkeiten. Sonst nichts! In der Gemeinschaft bist du auf einmal nackt. Die Droge hat uns angezogen, damit wir von den anderen akzeptiert werden. In der Gemeinschaft findest du dich wirklich selbst. Das ist die echte Freiheit: der zu sein, der du bist.“

Das Gebet, die Gemeinschaft, die Gespräche, die Arbeit und die Erfahrung der Liebe Gottes, führen zu einem Neuanfang.

„Nach acht Monaten fiel mir zum ersten Mal auf, dass ich mich veränderte. Langsam wurde mein Weg zu einer ernsthaften persönlichen Wahl. Ich stand nachts um zwei auf, um meine persönliche Anbetung zu halten und blieb oft lange Zeit in der Kapelle. Wenn ich auch noch nicht alles verstand, was ich lebte, so brauchte ich doch dringend Hilfe! Daher klammerte ich mich an das, woher auch die anderen ihre Kräfte schöpften. Ich beobachtete, wie sie die Gemeinschaft lebten, und sah, welche Kraft und Fähigkeiten sie entfalteten. Deshalb wünschte ich mir, wie sie offene Augen für die kleinen Dinge zu bekommen, den Mut, wahrhaftig zu sein, die Begeisterung auch in mühevollen Momenten…“

„Du brauchst die Wahrheit, weil es das ist, was du gesucht hast.“

„Die Gemeinschaft ist der einzige Ort gewesen, an dem ich mich nicht einsam gefühlt habe. Hier findest du echte Freundschaften. Hier kannst du keine Freundschaft kaufen. Du kannst dich nicht prostituieren, für nichts. Nein, hier sagen sie dir die Wahrheit ins Gesicht, was du ändern musst, was nicht geht. Es ist oft hart, das zu schlucken. Oft weißt du es selbst, aber es gefällt dir nicht und du willst es nicht hören. Aber sie sagen es dir und obwohl du möchtest, haust du nicht ab. Denn du brauchst die Wahrheit, weil es das ist, was du gesucht hast.“

Josip ist kein Einzelfall

Josip hat es geschafft. Er ist clean und hat seinen Weg zurück ins Leben gefunden. Die Lebensfreude ist ihm aus dem Gesicht zu lesen. So wie Josip ist es vielen gegangen. Jeder, der in der Gemeinschaft Cenacolo lebt, kann eine ähnliche Geschichte erzählen. Sie haben erfahren, was es heißt, am Abgrund des eigenen Lebens zu stehen, nicht mehr weiter zu wissen, innerlich tot zu sein. Durch die Gemeinschaft Cenacolo haben sie den Weg zurück ins Leben gefunden. Am eigenen Leib konnten sie erfahren, was „Auferstehung“ wirklich bedeutet, was es heißt, dass „Gott rettet“. Sie sagen, dass sie heute nicht mehr leben würden, wenn sie nicht zu der Gemeinschaft gekommen wären. Freude und Dankbarkeit sind ihnen von dem Strahlen in ihrem Gesicht abzulesen.