Ach du meine Güte. Was hab ich mir da nur ausgesucht?!
Eigentlich kann diese Challenge ja nicht so schwer sein. Mir war zwar bewusst, dass es Überwindung brauchen würde, aber früher haben die Leute ja auch so miteinander gesprochen und schließlich bin ich ja schon ein paar Mal durch Zufall zu netten Begegnungen gekommen. So schwer kann es ja nicht sein… dachte ich….

Tag 1: Der erste Ort an dem ich eine Chance sah, war tatsächlich der Zug. Dass die Menschen in meinem Alter so wie ich wahrscheinlich dazu tendieren würden Ihre Zeit im Zug dazu zu nutzen ihre Social Media Accounts zu checken, war für mich klar. Aber es muss doch Personen geben die sich bei einem solchen Anblick noch denken, dass die Jugend von heute doch viel lieber ihre Zeit nutzen sollte, um tatsächlich menschlichen Kontakt zu suchen.

Sehr zu meiner Verwunderung befand sich in diesem Waggon aber keine Person, die sich nicht in seiner eigenen kleinen Welt befand. Die Pensionistin vor mir blickte in ihr E-Book, das Mädchen neben mir hatte ihre Kopfhörer auf, die Dame diagonal vor mir arbeitete an ihrem Laptop und der Rest las entweder in Zeitungen, Büchern oder tippten an ihren Smartphones herum. Kurz gesagt:
Eine Konversation, sei es nur ein kleiner Smalltalk, wäre unmöglich gewesen, denn allein durch Körpersprache signalisierten alle Anwesenden, dass ein Kontakt zu jemandem hier und jetzt unerwünscht war.

Ein gescheiterter Anlauf und schon wusste ich, dass es noch schwieriger wird, als gedacht.
Der Erfolg für den ersten Tag passiert dann an der Uni. Heute überwindete ich mich absichtlich ohne viel nachzudenken, meine Sitznachbarin mit einem Lächeln zu fragen, was sie denn studiert. Es handelte sich um eine Austauschstudentin, die überraschenderweise etwas studierte, was mich als Erweiterung zu meinem Studium schon lange interessierte, und so stellte sich dieses Gespräch nicht nur als angenehm und freundlich, sondern auch als äußerst informativ heraus.

Tag 2: Man kann den idealen Moment auch verpassen…

Viel zu früh war ich an einem Ort angekommen, wo ich beruflich aushelfen musste und ich verbrachte 45 Minuten –  durch Gewohnheit – damit, mich mit mir selbst zu beschäftigen, anstatt mit einer netten Mitarbeiterin zu plaudern. Zum Glück habe ich aus meinen Fehlern gelernt, und habe mich entschlossen, mich mit einer anderen Mitarbeiterin während des Aufräumens nach der Arbeit zu unterhalten, anstatt schweigend nebeneinander zu arbeiten, was eigentlich viel einfacher gewesen wäre

Tag 3: Demotiviert und hoffnungslos, wo gesprächsfreudige fremde Menschen zu finden wären, startete ich in den Tag, hatte dann aber tatsächlich sogar 2 erfreuliche Gesrpäche. Es ergab sich dann tatsächlich, dass eine Jugendliche den gleichen Zug nahm, und auch zur gleichen Vorlesung fuhr und genau so eine halbe Stunde warten musste. Mal wieder dachte ich mir „wenn’s nach mir ginge würde ich einfach schweigen, lesen und warten… aber naja. Challenge ist Challenge“. Also ging ich hin und sprach sie an. Und dank der Challenge habe ich dann noch eine nette Begleitung für die Vorlesung und dieses Fach gefunden.

Tag 4: Mein persönliches Highlight der Challenge. Ich habe mich zum Lernen diesmal statt in die stillen Leseräume in die Cafeteria der Uni gesetzt, weil dort Gespräche sicher möglich wären…

Zwei Studentinnen ließen mich freundlich an ihrem Tisch Platz nehmen und als eine relativ bald ging, sprach mich die anderee auf einmal an und unsere Unterhaltung führte schließlich zu einem einstündigen, super freundlichen und gefühlt sehr vertrauten Austausch über das Studium, Hobbies, Interessen, Träume, Reisen und Erlebnisse. Das Gespräch endete mit einem „Eigentlich starte ich solche Gespräche nie einfach so spontan… aber es hat mich echt gefreut!“ von ihr.

Tag 5: Heute habe ich leider nichts geschafft

Tag 6: Um ehrlich zu sein: auch heute wurde nichts daraus. Aber: God loves a tryer.

Tag 7:  Ich war mit Freunden zu einem Kino-Abend verabredet, wo einer aus der Gruppe jemanden mitgenommen hat, der neu in der Gruppe war. Dadurch, dass wir eine eher große Gruppe waren, wäre es sehr leicht gewesen, die Gespräche auf einem sehr oberflächlichen Niveau zu halten. Was heißt leicht – so wäre es wahrscheinlich gewesen, wenn ich mich dank der Challenge nicht aktiv dazu entschieden hätte, die Person mal direkt anzusprechen und bisschen was über sie herauszufinden.

Fazit: Ich denke, täglich entgehen uns zahlreiche Chancen ganz wunderbare und bereichernde Begegnungen zu machen. Man muss sich oft wirklich bewusst dazu entscheiden, Kontakt zu den Mitmenschen aufzunehmen…. es ist heute wirklich schon „normaler“ und „unauffälliger“, dass jeder seinen Weg geht, und sich nicht anspricht, was ja eigentlich traurig ist. Und bei mir hat die Überwindung Fremde anzusprechen nur positive Erlebnisse gebracht…

Dank dieser Challenge kann ich jedem empfehlen, mal etwas offener für ungeplante Begegnungen zu sein. Vielleicht muss man nicht aktiv herumgehen und Leute ansprechen, wie es diese Challenge oft verlangte, aber es reicht schon mal, aus diesem aktuellen Schema des „in seiner eigenen kleinen Blase von Social Media zu sein“ auszubrechen und Bereitschaft zu haben auf mögliche Gespräche einzugehen, oder mal drauf zu achten, wer vielleicht ein nettes Wort oder nur ein Lächeln braucht. Und das schadet niemandem, denn wir alle tendieren mittlerweile dazu, weniger social zu sein.

Und? Bist auch du motiviert, diese Challenge auszuprobieren? Wer weiß, vielleicht lernst du so auch deinen Prince Charming kennen… 😉

Text: Julia Schwendenwein / Bild: GettyImages